Gipfel des Outdoor-Booms erreicht

20. Januar 2014

Die Branche ist sich einig: Die fetten Jahre sind vorbei. In einer aktuellen Umfrage von outdoor.markt, durchgeführt im Januar 2014, wird die Skepsis hinsichtlich der Geschäftserwartungen für das laufende Geschäftsjahr sowohl in der Industrie als auch im Handel mehr als deutlich. Aber was sind die Gründe? Und was sind mögliche Lösungsansätze? 

Eines vorweg: Eindeutige, verlässliche Zahlen sind nach wie vor Mangelware in der Outdoor-Branche. Sicher, jedes Unternehmen und jeder Unternehmer führt Bilanz, aber einen branchenübergreifenden Index oder eine auf einer gesicherten und vergleichbaren Basis beruhende Fortschreibung existiert immer noch nicht. Klar ist aber: Der gesamte Sektor bewegt sich seit dem vergangenen Jahr bei Wachstumsraten im niedrigen, einstelligen Bereich. Da schauen viele andere deutsche, österreichische oder Schweizer Branchen immer noch neidisch zu den großen Outdoor-Herstellern hinüber. Nachdem sich alle Player aber über mehr als ein Jahrzehnt hinweg an satte zweistellige Raten gewöhnt hatten, reden viele schon vom Ende des Outdoor-Booms.

 Phase der Konsolidierung

Das ist genauso falsch wie die Annahme eines nie endenden Aufwärtstrends. Der Markt befindet sich lediglich in einer Phase der Konsolidierung, so die einhellige Meinung. Trotzdem: „Man hat die Krise einfach unter den Teppich gekehrt. Keiner wollte das wahrhaben. Und in solchen Zeiten will niemand über Negatives nachdenken“, sagt zum Beispiel Gerhard Flatz, Geschäftsführer des Produzenten KTC aus dem chinesischen Heshan.

 Acht Problemfelder

Höchste Zeit also, einmal die Finger in die Wunden zu legen. „Wir haben 15 Jahre lang Wachstum gehabt, und aufgrund des Wachstums sind sehr viele neue Marken dazugekommen. Die Bevölkerung in Deutschland, Österreich und in der Schweiz ist aber nicht gewachsen. Wenn wir 20 Prozent Wachstum bei hundert Prozent mehr Marken haben wollen, ist es ganz klar, dass es zu einer Konsolidierung kommt. Das kann uns sogar ein Volksschüler vorrechnen“, erklärt Gerhard Flatz in seiner so typischen steirischen Art. „Und dann kommt noch hinzu, dass einen großen Teil des Marktes ein Tchibo, ein Aldi, ein Lidl und vielleicht noch ein Decathlon frisst.“

Hinzu kommt, dass sich Industrie und Handel untereinander immer weniger „grün“ sind: Hersteller, die mit eigenen Flagship-Stores und Internetangeboten am Handel vorbei verkaufen, stoßen auf Händler, die ihre Eigenmarken auf- und ausbauen. Die neuen, mittlerweile sehr verbreiteten selektiven Vertriebsrichtlinien streuen zusätzlich Salz in die Wunden.

 Wildwest-Spiel weltweit 

„Das ist ja ein Verdrängungswettbewerb da draußen“, konstatiert Flatz. „Wir erschließen doch keine neuen Märkte mehr!“ Und in Bezug auf das allgemeine Feilschen um Kosten, Rabatte, Werbekostenzuschüsse: „Das ist ja nur noch: Wer zieht schneller die Knarre? Ein altes Wildwest-Spiel! Es ist immer einer billiger. Und immer geht einer einen Kompromissdeal ein.“

Ende der Product-driven Ära?

Viele Händler fühlen sich überfordert und alleingelassen von den Marken, die eifrig am eigenen Markenimage feilen. Schon macht das geflügelte Wort eines „Marken-Marktes“ im Gegensatz zum Produktmarkt die Runde, der das Ende des Product-driven-Marketings und der Fokussierung auf Innovation einläutet. Dazu werden Werbegelder weg von B2B- und hin zu Endverbraucherkampagnen geschichtet. Für eine Branche, die seit mehreren Jahrzehnten traditionell eng mit dem Fachhandel verbunden ist, ein zum Teil sehr kostspieliges Neuland mit ungewissem Erfolg und großen Streuverlusten.

Megatrend „Gesundheit“ bleibt

Demgegenüber stehen die gesellschaftlichen Megatrends „Natur“ und „Gesundheit“, die die Branche in der Zukunft weiter stützen werden. Darin sind sich sowohl Hersteller und Händler als auch gesellschaftspolitische Forschungseinrichtungen an Universitäten und Fachhochschulen einig. Trotz einer Phase der Konsolidierung befindet sich Outdoor also langfristig weiterhin auf dem Wachstumspfad. Die Zahl der Marken und wohl auch Händler wird sich reduzieren. Nach einer für einige Player schmerzhaften Phase des Umbruchs wird es für die meisten und auch für die Gesamtbranche aber mit moderaten Wachstumsraten wieder bergauf gehen.

„Jeder muss einfach wieder zurück auf seine Position“, sagt Flatz. „Wie beim Fußball. Im Moment spielen zu viele Personen mit. Es ist keine Fokussierung mehr am Markt. Jeder wildert in irgendwelchen Territorien. Jeder versucht, irgendwo noch ein Geschäft zu machen. Aber dadurch, dass jeder irgendwo ein Geschäft macht, macht keiner mehr ein Geschäft. Das ist unser Problem!“

Die Problemfelder der Outdoor-Branche

Nr. 1: Zu viel Ware im Markt Über 15 Jahre zweistelliges Wachstum hat die Anzahl der Marken und der Produkte exponentiell wachsen lassen. Hinzu kommen unzählige Trittbrettfahrer sowie die Discounter, die den lukrativen Markt entdeckt haben. Konsumenten sind überfordert, Händler werden in der Auswahl ihrer Produkte alleingelassen. Rabatte in allen Handelsstufen, Überkapazitäten, und Verdrängungswettbewerb lähmen das Wachstum.

Nr. 2: Chemikalien Der Erfolg der Branche mag Neid und Missgunst hervorgerufen haben, und manche der Produkttests sind unter zweifelhaften Umständen zustande gekommen.Trotzdem: Es gibt gesundheitsschädliche Chemikalien in Outdoor-Bekleidung. Und es gibt undurchsichtige Produktionsbedingungen in Fernost. Die Industrie hat durch Stiftung Warentest, Greenpeace & Co. Kratzer bekommen, und die Kosten, um dies zu bereinigen, belasten die Verkäufe und die Bilanzen.

Nr. 3: Sättigung Insbesondere Schuhe und Bekleidung sind teuer und werden von den Konsumenten dementsprechend als langlebige Konsumgüter eingestuft. Innovationen und Marketing schaffen es nicht in ausreichendem Maße, die Konsumenten von (Re-)Investionen in kürzeren Zeiträumen zu überzeugen. Zeitgleich scheinen die Märkte erschlossen. Es fehlt an Konzepten und Designs für junge Zielgruppen (siehe auch Punkt 6)

Nr. 4: Zu wenig Fokussierung Mit Casual Wear und Fashion-Produkten begeben sich zu viele Outdoor-Hersteller in Konkurrenz zu großen Sportmultis oder traditionellen Modefirmen. Das gilt nicht nur für Bekleider, sondern mittlerweile auch für Schuhfirmen. Im Outdoor-Handel sorgt das für Irritationen, in den neuen Verkaufsstellen fehlt es an Markenbekanntheit, Durchschlagskraft und oft auch an konkurrenzfähigen Preisen.

Nr. 5: Undurchsichtiger Kollektionsaufbau Der Split zwischen einzelnen Kollektionen und Zielgruppen funktioniert solange nicht, wie das Marketing sich ausschließlich auf die spitzeste Zielgruppe fokussiert. Für diversifizierte Kampagnen fehlt Mittelständlern in der Regel aber das Geld. Das Ergebnis: „Normale“ Konsumenten fühlen sich „zurückgestuft“ oder „abgespeist“ mit „1b“-Ware, wenn es dem Händler nicht gelingt, zielgruppengerecht zu argumentieren. Dabei wird er aber von der Industrie alleingelassen, die sich in der Kommunikation zu sehr auf ihre High-End-Produkte konzentriert.

Nr. 6: Nachwuchssorgen Wandern und die Lust auf Naturgenuss sind „jünger“ geworden. Die Zielgruppe unter 20 Jahren braucht aber „echten Sport“: Im Winter gibt es mit Freeriden einen neuen starken Trend, von dem die Ski-Industrie profitiert. Mit Klettern und Slacklining ist es der OutdoorBranche gelungen, junge Zielgruppen an die Branche heranzuführen. Ausreichend ist dies aber nicht, um dauerhaft eine Überalterung und Marktsättigung zu verhindern.

Nr. 7: Markt wird überschwemmt Outdoor-Ausrüstung ist nichts Besonderes mehr. Sie kann sowohl beim Kaffeeröster als auch bei Lidl & Co an der Supermarktkasse gekauft werden. Oder natürlich rund um die Uhr bei Amazon & Co. inklusive Lieferung bis an die Haustür. Die Beratung und die sonstigen Serviceleistungen in den Fachgeschäften sind nicht stark genug, um das Gros der Bevölkerung an den Fachhandel zu binden. Die Begehrlichkeit und der Status der Top-Marken werden ausgehöhlt.

Nr. 8: Qualität In Internetforen und Bewertungsportalen mehren sich Beschwerden und Unzufriedenheit mit der Verarbeitung und der Funktion von Produkten. Ein Statement wie „Diese Jacke ist gar nicht wasserdicht“ kann zwei Ursachen haben. 1.) Sie ist es wirklich nicht. Oder 2.) Sie soll es auch gar nicht sein, der Kunde wurde nur falsch oder unzureichend beraten. Egal ob 1.) oder 2.) – er ist für die Marke und vielleicht sogar für die gesamte Outdoor-Industrie verloren!

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