„Die Frage lautet: Wo sind die Trends?“

04. Mai 2015

Seit Anfang März ist Jochen Schnell der neue Vorstand Ware und Markt bei  Intersport Deutschland  in Heilbronn. Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Kim Roether lenkt der ehemalige Sport-Voswinkel-Geschäftsführer damit die Geschicke eines Sechs-Länder-Verbundes mit einem Einzelhandelsvolumen von rund 3,4 Milliarden Euro und ist zuständig für die Belange von rund 1.800 angeschlossenen Verkaufsstellen. Im Interview verrät Jochen Schnell, welchen Kurs er dafür in seinem Ressort einschlagen möchte.

outdoor.markt: Herr Schnell, seit Anfang März leiten Sie das Ressort Ware und Markt bei Intersport. Wo sehen Sie in Ihrem Bereich künftig die größten Herausforderungen, was werden die Hauptthemen auf Ihrer Agenda sein?
Jochen Schnell: Die große Frage lautet: Wo sind die Trends, sowohl bei den Marken als auch bei den übergeordneten Themen. Damit beschäftigen wir uns im Moment sehr stark und versuchen, daraus die richtigen Ableitungen zu treffen für unser Business, unser Geschäftsmodell und unsere Sortimente. Ein weiteres Thema, das uns umtreibt, ist die Gestaltung unserer Sortimente entsprechend den Bedürfnissen der sechs Länder im Verbund. Das ist eine große Herausforderung, weil man in Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Polen andere Sortimente und Preislagen hat als in Deutschland und Österreich. Deshalb ist es wichtig, das so aufzubauen, dass für jeden etwas dabei ist und dass jeder seinen Markt bespielen kann.

Sind künftig auch neue Store-Konzepte geplant, zum Beispiel im Bereich Outdoor?
Die Intersport besitzt ja mit Intersport Adventure schon ein Format im Bereich Outdoor. Wir sind heute noch nicht so weit, dass wir ein Spezial-Konzept in der Schublade hätten, das wir morgen aufmachen. Aber Special-Store-Konzepte sind ein Thema, das auf der Agenda steht, über das wir – mit welchen Sortimenten auch immer – nachdenken und das wir zusammen mit der Intersport International sukzessive entwickeln.

Wie lässt sich über den Sortimentsaufbau auf den zunehmenden Marktdruck reagieren? Was gibt es da für Möglichkeiten?
Das ist genau der Punkt: Der Markt wird härter. Da ist es unsere Aufgabe, die Trends zu analysieren und zu schauen, was unser Geschäftsmodell anfeuert. Was passt zu uns? Wenn ich mir heute den Megatrend Gesundheit anschaue, dann ist der aus meiner Sicht von uns schon ganz gut gespielt, aber noch nicht gut genug. Da – und auch in anderen Teilsegmenten – gibt es meines Erachtens Möglichkeiten, das Sortiment etwas zu erweitern: um Produkte und Serviceangebote, die auch auf die Verkaufsfläche eines Sportgeschäfts passen. Gerade über Serviceangebote kann man noch eine ganze Menge machen und zum Beispiel den Trend der Individualisierung, der Maßanfertigung aufgreifen. Hier bieten wir schon vieles, vom Anpassen der Skischuhe über gefertigte Sohlen und selbst gestaltete Trainingsshirts bis hin zum Schuh-Coach, wo der Kunde entsprechend seiner Füße eine Beratung bekommt, welcher Schuh ihm am besten passt. Das sind Themen, die wir konsequent weiterverfolgen müssen.

Das Segment Outdoor konnte Intersport 2014 mit einem Wachstum von 3 Prozent stabil abschließen. Sind hier größere Veränderungen im Sortimentsaufbau zu erwarten?
Wir beobachten sehr genau, wie sich die einzelnen Marken entwickeln. Der Outdoor-Markt in Deutschland war zuletzt leider sehr wettergetrieben. Wir sehen Tendenzen, dass einige Marken sich im Moment extrem schwertun, andere Marken sich hingegen stabil oder positiv entwickeln. Insgesamt wird bei uns der Outdoor-Bereich ein solides und stabiles Segment bleiben – insbesondere dann, wenn ich sehe, wie sehr die Bereiche Ski und Outdoor verschwimmen. Hinzu kommt der Trend Urban Outdoor, also die Sortimentsteile, mit denen man modisch auf der Straße unterwegs ist.

Ihr Vorsitzender Kim Roether fand auf der ISPO deutliche Worte in Richtung der großen Marken, die durch eigene Kanäle wie Markenstores, eigenen E-Commerce oder FOCs immer mehr Frequenz abschöpfen, und forderte bessere Konditionen für den Fachhandel. Wie waren die Reaktionen auf diesen Aufruf?
Am Anfang waren die Reaktionen durchaus lauter. Aber mittlerweile sind wir da in ganz konstruktiven Gesprächen. Und unsere Mitglieder stehen voll hinter diesem Aufruf. Denn die sind davon direkt betroffen. Wie gesagt: Diesbezüglich sind wir in konstruktiven Gesprächen mit der Industrie. Und es ist nicht so, dass hier ein Tischtuch zerschnitten wurde. Im Gegenteil: Man setzt sich zusammen, analysiert und schaut, wo man gemeinsam Potenziale finden kann.

Was die Mitglieder stark interessiert, sind natürlich auch die Margen. Sehen Sie Potenzial, künftig noch bessere Margen für die Intersport-Händler herauszuholen? 
Diese Potenziale sollte es immer geben. Allerdings muss man immer das Gesamtkonstrukt betrachten und sehen, dass wir in Summe begehrlich sind, dass wir in Summe unsere Deckungsbeiträge schaffen. Momentan diskutieren wir die Währungsproblematik mit einem starken Dollar gegenüber dem Euro. Wir erwarten deshalb, dass die Preise steigen. Ich glaube, wenn man vernünftig mit diesen Themen umgeht, dann gibt es für alle Seiten noch Chancen. Wichtig dabei ist, dass die Aufschlagskalkulation nicht schlechter wird. Wir hatten in Deutschland in den letzten Jahren eher deflationäre als inflationäre Entwicklungen, die sich am Ende des Tages auch auf den Umsatz auswirken. De facto sind wir real eher rückläufig. Das muss man bedenken.

Nun hat Intersport nicht nur fremde Marken im Sortiment, sondern auch eigene. Soll dieser Bereich noch weiter ausgebaut werden? 
Fest steht: Die Eigenmarken sind wichtig für uns. Das ist ein Asset, wo wir – gemeinsam mit der Intersport international – die Vertriebspolitik und die Preispolitik bestimmen können. Dort schlummern enorme Chancen, und ich bin, auch aufgrund meiner Vorgeschichte, ein starker Verfechter von Eigenmarken. Da, wo wir die Möglichkeiten sehen, werden wir diesen Bereich sicher ausbauen.

Wo lohnt sich der Einsatz von Eigenmarken am meisten – bei Hartware, Textilien oder Schuhen?
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Wenn ich unser Sortiment betrachte, dann haben wir in verschiedenen Bereichen mit unseren Eigenmarken enorme Kompetenzen. Wir führen etwa mit Energetics eine Marke, die im Fitnessbereich sowohl das Hartwarenthema als auch das Textilthema hervorragend spielt. Mit McKinley haben wir im Outdoor-Bereich eine starke Marke. Die ist für mich schon fast keine Eigenmarke mehr, sondern beim Kunden fest am Markt etabliert. Hier haben wir durchaus Chancen, das Thema noch weiterzuentwickeln – sei es in bestimmten Produktsegmenten, aber auch in den Preislagen. Ich sehe sogar eine Möglichkeit des Uplifts. Dazu haben wir mit Etirel eine solide Marke im Multisport- und Skibereich, außerdem Pro Touch im Teamsport – da sind also eine ganze Menge Möglichkeiten.

Auf der ISPO monierten viele Händler zuletzt, dass durch die zuletzt später einsetzenden Winter Wetter und Ware im Geschäft zeitlich nicht mehr harmonierten. Sind hier künftig flexiblere Saisonstartzeiten nötig?
Wichtig ist: Die Warenverfügbarkeit muss sichergestellt sein – ob der Winter erst am 27. Dezember oder schon am 1. November anfängt. Unsere Händler müssen auf der Verkaufsfläche entsprechend reagieren können. Was wir durchaus empfehlen, ist, sich Anfang Oktober nicht das komplette Programm auf Lager zu legen, sondern mit zwei, drei Lieferterminen zu arbeiten. So kann dann ein frisches Warenbild im Laden gezeigt werden, und auch die Kapitalbindung ist gelockert. Das ist ein wichtiger Punkt. Das Thema flexible Saisonstartzeiten spielen wir in Österreich bereits sehr intensiv. Die Österreicher haben im Sommer ein starkes Fahrradsortiment. Da ist es entscheidend, dass man, wenn der Winter wie letztes Jahr im Januar vorbei ist, bereits Anfang Februar Fahrräder verkaufen kann. Und das ist noch einmal eine ganze andere Herausforderung, weil da entsprechende Volumina dahinterstehen und der Aufwand, den Laden von Winter auf Sommer umzubauen, wesentlich größer ist. Das dreht der Händler dann auch nicht mehr zurück. Also: Diese Flexibilität in der Warenversorgung muss gegeben sein, sonst agieren wir am Markt vorbei. Deshalb halte ich es für den kurzfristig sinnvollsten Weg, mit mehreren Lieferterminen zu arbeiten.

Wir bedanken uns für das Gespräch.

 

 

Comments are closed.