Handel profitiert vom Kletter-Boom

28. Juli 2015

Indoor-Klettern boomt wieder und findet zu alter Stärke zurück. Immer neue Boulderhallen entstehen bundesweit. Interessant für den Outdoor-Handel und Kletterspezialisten sind vor allem Einsteigersets bis 100 Euro, mit denen Kletter-Newcomer ausgerüstet werden. Wie man sich die Szene erfolgreich erobert, zeigt der Berliner Outdoorhändler camp4.

Ob München, Hamburg oder Berlin – Klettern liegt also im Trend, und mit aller Macht versuchen Kletterausrüster daher ihren Markt und das Preisgefüge zu verteidigen. Denn seitdem Klettern sowohl indoor als auch outdoor en vogue geworden ist, kann von einer Nische keine Rede mehr sein, und das weckt Begehrlichkeiten bei Garagenhändlern und Discountern. Spezialisten wie Red Chili (Kletterschuhe) oder Petzl (Gurt, Karabiner, Sicherungsgeräte, Lampen) haben über viele Jahre den Markt vorbereitet und können jetzt die Früchte ernten. Vaude und Kletter-tochter Edelrid verstehen sich ebenso wie Marmot, Mammut und Black Diamond als Trendsetter. Auf dieser Outdoor-Messe wollen sie das Thema Klettern drinnen wie draußen mit neuen Produkten vom Alpinstock über den Klettergurt bis zur Bekleidung forcieren. Die breit aufgestellten Marken haben längst auch erkannt, dass Klettern etwas mit Lebensstil zu tun hat. Vor allem in der Bekleidung soll sich das ausdrücken. Aber auch Traditionsmarken aus Italien wie Scarpa und La Sportiva erleben derzeit einen Höhenflug. Die Zeiten, in denen Lieferschwierigkeiten Handel und Endverbraucher die Freude auf die Marke verdarben, gehören der Vergangenheit an.

Italiener sind wieder da

Camp aus Norditalien hat sich den deutschsprachigen Markt sukzessive erobert und kann – wie jede Marke – mittlerweile auf eine treue und wachsende Fan-Gemeinde vertrauen. „Unsere internationalen Vertriebsangestellten, inklusive mir, sind passionierte Bergsteiger, Kletterer und Alpinisten, die genau wissen, was sie verkaufen, und mit Rat, Tat und eigenen Erfahrungen den Händlern stets zur Seite stehen können“, versichert der deutsche Camp-Vertreiber Christian Bickel. Gerade bei technischen Produkten ist dies unumgänglich und werde vom Handel sehr geschätzt. Hersteller geben daher verstärkt POS-Tools für den lokalen Handel heraus, produzieren auch Youtube-Videos und wollen die Funktionen und Anwendungsbereiche der jeweiligen Highlight-Produkte noch besser verdeutlichen und in der Community verankern. Diese Basisarbeit der Hersteller kommt gut an und trägt Früchte. Händler, die sich kompetent in der Szene engagieren, können gute und wachsende Umsätze verbuchen.

Der Kunde will beraten werden

In Deutschland setzt sich Berlin derzeit an die Spitze der Kletter-Bewegung. Die Hallendichte ist enorm hoch, die Tendenz steigend. Vor allem Indoor-Klettern gewinnt immer mehr Fans. Outdoorhändler Camp4 im Osten der Stadt hat sich über die Jahre als einer der profiliertesten Kletterexperten einen Namen erarbeitet. Bouldern liegt an der Spitze der Aktivitäten, Mitte Juni fanden die ersten Berliner Meisterschaften statt. „Das war ein voller Erfolg“, sagt Nick Nolde, Kletterspezialist bei Camp4. Auch die neue und erste Berliner Filiale von Décathlon war Sponsor dieses Kletterevents. Solche Events und Sponsorships mit medialer Wirkung fördern den Sport und wecken das Interesse. Die Macher von Camp4 kennen ihre Zielgruppe ganz genau und bieten die entsprechende Ausrüstung an. Vor allem Einsteiger sollen so bei der Stange gehalten werden. „Einfach, aber nicht billig“ lautet die Devise. Denn die kletternde Kundschaft sei zwar preisbewusst, will jedoch nicht das Billigste haben, erklärt der Camp4-Verkäufer. Gute Qualität bei Schuhen gebe es bereits zwischen 60 und 80 Euro, ein ganzes Einsteigerset mit Schuhen, Gurt und Chalk-Bag wird derzeit für 94 Euro angeboten. Diese Sets seien in allen Größen vorhanden, meint Nolde, was auch sehr wichtig sei. Damit hat sich das Geschäft mit dem Kletternachwuchs ein wenig verlagert, wieder raus aus der Halle, wo weniger vermietet wird, hin zum Händlerspezialisten, der die neuen Fans mit einer Grundausrüstung versorgen kann. Offenbar ist Selfservice derzeit kein Thema mehr, der Kunde, auch der Einsteiger, will beraten werden, bestätigt Nolde.

Billigware aus Fernost

Gefahr drohe jetzt trotzdem, und zwar durch billige Importe aus dem Fernen Osten, meinen Marktkenner. Die würden über einige branchenfremde Importeure in den europäischen Markt gedrückt – häufig Billigware, welche aber mit diversen dubiosen Siegeln und Zertifikaten versehen ein hohes Maß an Sicherheit und Vertrauen vorgaukelt. „Ein Trugschluss“, meinen viele Beobachter, solche Plaketten seien heute überall und ganz leicht zu bekommen. Eingeführte Kletter-marken wie Petzl etwa warnen daher eindringlich, was solche Siegel angeht. Bei kaum einem anderen Sport geht es um mehr Sicherheit als beim Klettern.

Neue Anbieter drängen in den Markt

Noch bleibt der Ausrüstermarkt überschaubar, im Schuhsektor werben neben Kultmarke Red Chili noch amerikanische (Five Ten), spanische (Boreal) und eben italienische Anbieter (La Sportiva, Scarpa) um die wachsende Zahl der aktiven Indoor- und Outdoor-Kletterer. Den Markt aufgemischt haben längst auch Mammut und Edelrid. Der Schweizer Bergsport- und Kletterspezialist hat inzwischen auch im Hallengeschäft Fuß gefasst und zielt auf den rasant wachsenden deutschen Kletterhallenmarkt, behält dabei aber stets auch die Entwicklung in der Heimat im Blick. Denn auch in der Schweiz boomt das Geschäft mit den Kletter-hallen, und mit steigender Zahl der Hallen gewinnt auch dort der Markt an Bedeutung. Dieser Entwicklung wird zum Beispiel in Form von Kooperationen Rechnung getragen. So wurden gemeinsam mit dem deutschen Hallenverband Klever (Berlin) spezielle Klettergurte entwickelt, die ganz auf die Bedürfnisse der Indoor-Kletterer zugeschnitten sind. Auf der OutDoor 2015 wird sich Edelrid mit neuen Kletterschuhen präsentieren. Die Vaude-Tochter hat sich als Komplettanbieter (auch mit Seilen, Gurten) durchgesetzt. Das Hartwarengeschäft laufe sehr gut, bestätigt Vaude-Sprecherin Birgit Weber, und für Vaude entwickele sich auch das Thema Bekleidung (und Rucksäcke für outdoor) für Kletterer sehr gut. Denn Klettern ist inzwischen ein Ganzjahressport geworden und sorgt für spannende Umsätze im Outdoorhandel.

 

Comments are closed.