Naturfasern auf dem Vormarsch

13. November 2013

Viel tut sich im Bereich Technik und Funktion. Die jüngste Übernahme des europäischen Polyesterfaserherstellers Advansa durch den amerikanischen Faser- und Polymerspezialisten Invista zeigt zum Beispiel, wohin der Zug in der Faserindustrie fährt: Konzentration im Markt und Konzentration auf Naturprodukte. Denn Handel und Industrie wollen den Systemwechsel, ohne Greenwashing zu betreiben. Und der Konsument treibt die rasante Entwicklung mit voran. Er zeigt sich im Handel immer aufgeklärter und fordert Umweltverträglichkeit bei der Funktionsbekleidung ein. So kann sich die Outdoor-Branche wieder einmal als Vorreiter in Szene setzen.

Auf der Tagesordnung stehen zum einen die Reduzierung von umweltschädlichen Chemika-lien in der Produktion, insbeson-dere für wasserabweisende Impräg-nierungen. Hier geht es um die -bekannte PFC-Problematik (per- und polyfluorierte Chemikalien). In diesem Zusammenhang soll vor allem dem bei langkettigen PFC-Verbindungen (C8-Chemie) auftretenden PFOA der Garaus gemacht werden. Viele Hersteller argumentieren, dass es zu PFC in Sachen Wetterschutzbekleidung derzeit kaum Alternativen gibt. Die Abwehr von Regen und Feuchtigkeit, deren Transport und der Wärmeschutz gehören jedoch zu den Aushängeschildern der Outdoor-Branche. Dennoch haben sich die Ausrüster auf die Fahne geschrieben, bis spätestens 2020 komplett aus dem Thema Chemie auszusteigen. Fluorchemie in Form von PFC und PFOA sollen schon in den nächsten Jahren mit Hilfe neuer Stoffe, Fasern und Behandlungs-methoden von Fasern aus dem Herstellungsprozess verschwinden.

Tüfteln auf hohem Niveau

Faseranbieter und Outdoor-Bekleider tüfteln aber jetzt schon erfolgreich an Alternativen zur Imprägnierung und Behandlung von Membranen. Die große Herausforderung ist, Leistungsfähigkeit und Umweltverträglichkeit unter einen Hut zu bringen. Bereits zum Sommer 2014 wollen Hersteller erste PFC-freie Kollektionen auf den Markt bringen. Unter anderem Fjällräven, Radys und auch Maier Sports sowie Peak -Performance versprechen PFC-freie Kollektionen. Zu den fluorfreien Lösungen verhelfen Neuentwicklungen der Faser- und Chemieentwickler. Mit „Bionic Finish Eco“ von Rudolf -Chemie, „Ecorepel“ von -Schoeller Technologies oder auch „Puretex“ von Freudenberg setzen sich Behandlungsmethoden durch, die eben genau den Leistungsanspruch und die Ökologie in Einklang bringen sollen. Schoeller etwa setzt bei seiner fluorfreien DWR(Durable Water Reppellent)-Beschichtung namens „Ecorepel“ auf Parafinketten, die sich spiralförmig um die einzelnen Fasern wickeln. Gore kündigt an, die Eliminierung von PFOA aus den Rohmaterialien für seine Textilprodukte bis Ende 2013 abgeschlossen zu haben. Bei Rudolf Chemie erfolgt eine neuartige Oberflächenbearbeitung der Fasern mittels Dendrimeren, die durch Verästelung eine dreidimensionale Struktur bilden -können. Auch damit soll eine fluorfreie DWR-Lösung ermöglicht werden.

Zukunft ohne Chemie

Neben der intelligenten Zusammenarbeit von Chemie und Fasertechnologie, um die erwünschten Eigenschaften zu erzielen, werden künftig aber auch Naturfasern auf dem Vormarsch sein. Experimentiert wird weltweit zum Beispiel mit Bananenfasern, Ananas und Bambus. Auch Jute und Hanf gehören dazu. Noch ist allerdings hierbei die Nachhaltigkeit in Sachen Wasserverbrauch, Herstellungsmethoden und Bodenbewirtschaftung nicht immer gewährleistet. In den Entwicklungsländern, wo Faserreste von Ananas- oder Bananenstauden bislang als Abfallprodukte galten, bieten sich jedoch neue Chancen. In Experimenten mit Jute werden Mischgewebe entwickelt, die sich als Alternative zu chemisch behandelten Membranen anbieten sollen. Noch steht die Entwicklung am Anfang. Auch mit Kokos- und Bambusfasern wird weiter experimentiert, denen mit Hilfe von Aktivkohle beispielsweise funktionelle Eigenschaften entlockt werden sollen. Ziel ist es, künftig bei der Gewinnung neuer Fasern aus natürlichen Rohstoffen auf den Einsatz von Chemie (Natronlauge, Schwefelkohlenstoff) gänzlich zu verzichten. Als zukunftsträchtige Textilfaser gilt zudem Hanf, da es über eine antibakterielle Schutzschicht verfügt. Außerdem ist es umweltverträglich, oft im Verbund mit anderen Nutzpflanzen wie Mais, anzubauen. So zeigt sich hier ein natürliches Feuchtigkeitsmanagement sowie Geruchsneutralität und UV-Schutz. Diese Naturfaser, auch wenn sie noch relativ teuer ist, wird also immer häufiger von Outdoor-Herstellern entdeckt. Inzwischen durchgesetzt als Faseralternative hat sich Merino-wolle: mit hohem Tragekomfort (Wärme, Geruchsschutz) und ebenfalls bestem natürlichen Feuchtigkeitsmanagement. Zu beachten ist, dass es natürlich unterschiedliche Wollqualitäten gibt. Ähnliche funktionelle Eigenschaften wie Wolle hinsichtlich Isolierung und Kühlung besitzt Seide. Auch mit dieser Naturfaser, die häufig als 2. Schicht und bei Funktionswäsche zum Einsatz kommt, experimentieren Outdoor-Ausrüster immer häufiger.

Produktoffensive der Hersteller

Als ein führender integrierter Hersteller und Vertreiber von hochwertigen Fasern und Textilien ist -Invista Apparel mit Produktions- oder Vertriebseinrichtungen in allen wichtigen Regionen der Welt vertreten. Zu den Marktsegmenten gehören Konfektions-Denimware und Pullover, Unterwäsche, Badekleidung, Sport- und Freizeitkleidung, Strumpfwaren und Berufskleidung. Bekannt ist der Faserspezialist für seine Marken Lycra, Coolmax und Thermolite, die im Outdoor-Sektor und in der Bike-Branche bestens eingeführt sind. Invista startet nun mit seiner neuen Cordura-Stofflinie durch. Hinter „Naturalle“ zum Beispiel verbirgt sich eine neue, matte Nylongarn-Entwicklung, die wie ein Naturmaterial aussieht. Die für Cordura bekannte Reißfestigkeit und Strapazierfähigkeit konnte hier beibehalten werden. Die Neuentwicklung eröffnet dem Faserkonzern jedoch neue Chancen. Denn Invista will künftig verstärkt auch Materialien anbieten, die sich für technische Bekleidung eignen. „-Cordura-Naturalle“ empfiehlt sich laut Invista als Bekleidung für Hochleistungs-Sportler, für technische Outerwear und Softshells. -„Naturalle“ bietet sich aber auch für Base-Layers und Second-Layers an. „-Cordura Lite-Plus“ ist eine weitere Neuentwicklung, mit der der Konzern eine Produktoffensive startet: Dank einer bis zu zweimal höheren Filamentdichte und einer geringeren Garnstärke pro Filament ist es Invista bei den neuen -„Cordura Lite-Plus“-Stoffen gelungen, die Reiß-festigkeit um über zwölf Prozent zu verbessern. Gleichzeitig weisen die Stoffe einen weicheren Griff auf, lassen weniger Wasser oder Luft durch und eignen sich besser für Beschichtungen. Aber auch -andere Faser–Spezialisten starten mit neuen Inves-titionen in die Zukunft: Die Lenzing -Gruppe beispielsweise investiert derzeit 130 Mio. Euro in den Bau eines neuen Faserwerks für „Tencel“ im österreichischen -Lenzing, das 2014 in Betrieb gehen soll. Die Anlage wird eine -Produktionskapazität von 64.000 Tonnen pro Jahr haben.

 Fasern mit 3-D-Technologie

Bereits zu Jahresbeginn hat -Cocona die Einführung von drei neuen Produktkategorien für den Outdoor-Bereich angekündigt: „Cocona–Merino“, „Cocona-Insulation–System“ und „Cocona-Pro–Collection“. -„Cocona-Merino“ verteilt im Vergleich zu reiner Merinowolle Feuchtigkeit gleichmäßiger über das Textil, wodurch sich die Trocknungsphase um das zwei- bis fünffache beschleunigen soll. Somit wird der Komfortbereich auf höhere Temperaturen und -größere Belas-tungen ausgeweitet.

Einen beschleunigten Feuchtigkeitstransport und ein Plus an Komfort für den Outdoor-Sportler verspricht Sympatex mit seinem neuen 2,5-Lagen-Laminat „Phase-able“, welches über eine 3-D-Technologie verfügt. Die halbe Lage auf der Innenseite des Laminats liegt in Form von Schaumpunkten nur punktuell auf der Haut auf. In den Ruhephasen entsteht somit eine isolierende Luftschicht zwischen Haut und Laminat. Steigt die -körperliche Aktivität, quillt die hydropohile Sympatex-Membran aufgrund der entstehenden Feuchtigkeit auf. Der Abstand zur Haut verringert sich dadurch mit dem Effekt, dass sich der Feuchtigkeitstransport -verbessert.

Chemie wird nach und nach verbannt, und Naturfasern sollen Polyester ersetzen. Die Branche ist in Bewegung, und in den Entwicklungslabors der Faserhersteller wird kräftig weiterentwickelt. Funktionsbekleidung wird immer mehr zum Wachstumstreiber in der Outdoor-Szene. In Sachen Ökologie und Ökonomie erweist sich unsere Branche einmal mehr als Vorreiter. Mit recyclebaren Stoffen und Fasern wird ebenfalls immer stärker experimentiert. Odlo zeigt sich hier als einer der Vorreiter. Der Fachhandel hat die -Chance, sich gemeinsam mit einem kritischen Verbraucher im Wettbewerb zu behaupten und zu profilieren.

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