Neues aus der Hightech-Schmiede

11. November 2014

Funktion und Technologie gehören zur Sport- und Outdoor-Branche wie der Schnee zu Winter. Für den Endverbraucher bedeuten sie mehr Leistung und Komfort sowie Schutz. Für den Handel gilt es, stets umfassend über die neuesten Techniken, Materialien, ihre Zusammensetzung und ihr Zusammenspiel informiert zu sein. Dieses Know-how wird immer komplexer und fordert den Verkäufer zunehmend heraus. Denn der Sporthandel allgemein und insbesondere der Outdoor-Sektor erweisen sich seit Jahren als Vorreiter und Trendsetter. 

Die ersten Gehversuche mit sogenannter Wearable-Technologie beispielsweise erfolgten schon vor fünf Jahren in Zusammenarbeit von Nike und der Outdoor-Industrie. Chiptechnologie zieht in die Funktionsjacken ein, die messen und mit der Umwelt in Kontakt treten können. Aber auch Rucksäcke und Daypacks werden zu regelrechten Schalt- und Waltstationen – etwa im Bereich Lawinenschutz oder in Kombination mit der Bekleidung. Hinzu kommen intelligente Uhren, Armreife und Trackingbänder, die direkt mit der Hautoberfläche oder auch mit der Bekleidung kommunizieren. Die finnischen Messgeräte-Unternehmen Suunto und Polar etwa sind hier zwei Vorreiter und treiben die Entwicklungen auf diesem Gebiet derzeit massiv voran. GPS in den verschiedensten Geräten, die immer kleiner, günstiger und komfortabler zu bedienen sind, ist längst zum Standard geworden und erlaubt die Funk-Kommunikation und Standortbestimmung inklusive Hilfe und Navigation selbst dort, wo das Internet -versagt.

Technik-Theken umlagert

Über kurze Distanzen erlaubt immer häufiger Bluetooth-Technologie die Vernetzung von Hardware, Bekleidung und mobilen Endgeräten wie Uhren, Trackern und Telefon. An der TU München laufen aktuell Feldversuche zum Einsatz von Bluetooth-Technologie im Outdoor- und Runnig-Sektor. Mittels kleinster Sensoren werden beispielsweise Körpertemperatur und andere Körperdaten sowie  Außeneinflüsse gemessen, verarbeitet und möglicherweise gleich analysiert. Ergebnisse und Empfehlungen fließen via Bluetooth an mobile Computer und Displays (Telefon, Uhr) oder später – zur sportlichen Analyse – an den Desktop zu Hause. Der berühmte Brustgurt könnte dabei vielleicht bald der Vergangenheit angehören. Empfänger und Sender sind in Textilien verarbeitet, können in Schuhen integriert sein oder eben auch im Rucksack.

Der Handel jedenfalls muss das Thema Technik in Zukunft ver-stärkt als Verkaufsinstrument und als Möglichkeit zur Abgrenzung im harten Wettbewerb einordnen. In den verschiedenen Etagen des Münchner Sporthauses -Schuster sind die zahlreichen Technik-Theken in der Running-Etage, bei den  Bergsportlern im Ski- und Lawinenbereich oder auch in der Karten- und GPS-Abteilung dicht bevölkert. Und zwar von Jung und Alt, die sich über die neuesten Trends informieren wollen. Mindes-tens zwei Computer stehen dort jeweils zur Verfügung, an denen erfahrene Mitarbeiter über den Stand der Entwicklung berichten und zu den unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten beraten.

Suunto beispielsweise bietet eine ganze Reihe neuer Produkte an: die dritte Generation der beliebten „Ambit“-GPS-Uhren mit der „Ambit3 Peak“ und „Ambit3 Sport“, eine „Movescount App“ für Mobilgeräte sowie einen Pulsgurt mit integriertem Smart-Sensor. Und für den Winter 2015 präsentiert der -finnische Hersteller die neue „Ambit3-Connected“-Familie als ein Komplettpaket, das Aktive beim Skitourengehen, Bergsteigen und nahezu allen anderen Sportarten unterstützen soll. Es ist die erste Produktreihe von Suunto, die Bluetooth-Smart-kompatibel ist. Zusätzlich sind bereits neue Tools für die eigene „Movescount App“ erschienen. Diese Applikation steht allen Besitzern eines „Ambit“-Modells zur Verfügung, die auch noch ein iPhone oder iPad verwenden. „Ambit3“-Besitzer können so nun auch von unterwegs Daten synchronisieren, hochladen, mit anderen teilen und noch einmal erleben. „Heutzutage wird meistens nicht nur eine Sportart ausgeübt. Deshalb bevorzugen die Leute bei ihren Aktivitäten eine multifunktionelle Uhr anstatt mehrerer Uhren mit unterschiedlichen Funktionen”, erklärt Mikko Moilanen, Präsident von -Suunto. „Außerdem möchten Sportler ihre Abenteuer und Erfolge sofort mit ihren Freunden teilen.“ Gleichzeitig zeichne sich ab, dass neben Wohlbefinden auch Erholung nach dem Sport eine immer -größere Rolle spiele. Mit der neuen „Ambit3-Connected“–Familie -erfülle man auch diese Bedürfnisse der Sportler.

Sicherheit durch Technologie

Die Performance-Optimierung und das Thema Sicherheit im Bereich Sport sind der eine Aspekt von Technologie und Funktion: Dazu gehören Kraft und Leistungssteigerung im gesunden Rahmen, aber auch Kontrolle, Überwachung und Vergleich. Was früher aus dem Bauch heraus geschah, wird jetzt sekunden- und millimetergenau gemessen, erfasst, verarbeitet, gespeichert und gegebenenfalls verbreitet. Dazu wird Technologie im Sportsektor entwickelt und eingesetzt – am Handgelenk, im Schuh und in der Kleidung sowie auch bei der Ausrüstung. Ein immer wichtigerer Bereich sind hier Lawinenairbags, die sich in Sekundenschnelle aufblasen und Skifahrer, Snowboarder sowie Skitourengeher im Notfall vor einer Ganzverschüttung bewahren sollen. Die neue „OnTop ABS“-Lawinenairbag-Kollektion von Rucksackhersteller Deuter unterstreicht diesen Sicherheitsaspekt mittels Technologie deutlich. Hínzu kommt ein hoher Tragekomfort der Produkte, denn der Anbieter verspricht eine Top-Passform. Zwei seiner vier Modelle hat er deshalb  speziell für Frauen entwickelt. Für Deuter-Geschäftsführer Martin -Riebel ist klar, dass Funktion und Technologie Treiber und Multiplikator für Sicherheit und Komfort im Sport sind. „Wir haben ein fantastisches Team, welches die Produkte und Entwicklungen vorantreibt“, so Martin Riebel. Mammut hat seine „Protection“-Serie für den Winter 2015 um eine Airbag-kompatible Weste erweitert, die im diesem Fall ohne Rucksack auskommt. Trotzdem gibt es im Rückenbereich der „Alyeska Protection Airbag Vest“ vier Liter Stauraum für das LVS-Ortungssystem: Sonde und Schaufel haben also genügend Platz.

Die stetige Weiterentwicklung sicherheitsrelevanter Produkte für Bergsportler zeichnet die Schweizer Bergsportmarke aus. Die -zweite Variante von Mammuts Lawinen-Airbag-Systemen nennt sich „Protection Airbag System (P.A.S.)“, ist sehr leicht, und je nach Bedarf können Skitourengeher und -Freerider die favorisierte Variante auswählen. Das System ist vollständig ausbaubar, so dass einerseits der Rucksack in allen Jahreszeiten vielseitig genutzt werden kann und andererseits je nach Tour ein anderes kompatibles Rucksackmodell wählbar ist. Insgesamt sind vier Rucksäcke und die Weste aus der Mammut-Produktreihe für die Ausrüstung mit dem „Protection Airbag System“ ausgelegt. „Technologisches Know-how, Komfort und Sicherheit gehören für Mammut untrennbar zusammen“, erklärt Mammut-Chef Rolf Schmid.

Fasertechnik zum Wohlfühlen

Wohlfühlen und Schutz sind der zweite Aspekt beim Einsatz neuer Technologien. In diesem Bereich kommt der Weiterentwicklung von Funktionsfasern und Materialmixen ebenfalls eine immer -größere Bedeutung zu. Die Wechselwirkung von Textilausrüstern und Membranentwicklern ist funk-tionsgetrieben und wird immer aufwendiger. Wobei das nicht nachteilig sein muss: Denn man orientiert sich  zunehmend wieder auf das Einfache, geht  quasi „Back to the Roots“.

Branche trumpft mit Hybrid

Vor allem im Outdoor-Sektor gewinnen dabei Hybridprodukte 2015 die Oberhand. Daune und Kunstfaser haben sich längst gefunden. Neue Stoffmischungen vereinen die Vorteile beider Produkte: Leichtigkeit, Wärme-isolierung, Feuchtigkeitstransport und -absorption. Im Vordergrund stehen die hohe Bauschkraft und beste Wärmeleistung von natürlicher Daune sowie die Feuchtigkeitsresistenz von Primaloft-Mikrofasern: Das Hybrid-Produkt namens „Primaloft Gold Insulation Down“ zum Beispiel besteht zu 70 Prozent aus grauer Gänsedaune und zu 30 Prozent aus Primaloft-Mikrofaser. Die Variante „Silver Insulation“ beinhaltet 40 Prozent Primaloft-Mikrofaser.

Eine weitere neue Isolierung, die sich durchsetzt, kommt vom britischen Outdoor-Ausrüster Berghaus. Der ISPO-Award-Gewinner kombiniert seine wasserabweisende Daunen-Technologie „Hydrodown“ mit seiner leichten, wasserresistenten Synthetikfaser „Hydroloft“. Insgesamt werden die Faser-Technologien damit immer ausgereifter. Die Performance steigt, und die Funktionsbekleidung wird immer leichter. Getüftelt wird außerdem an neuen Faserkonstruktionen aus bis zu vier verschiedenen Garnen, die für mehr Wärme und Schutz sorgen sollen. Ausreichend Bewegungsfreiheit bei bestmöglicher Luftzirkulation sollen dreidimensionale 360-Grad-Stretch-Materialien garantieren. Der amerikanische Funktionsstoff-Hersteller -Polartec beispielsweise arbeitet intensiv an solchen Lösungen („Power Stretch Pro“). Innovativ zeigen sich ab 2015 solche Stretch-Jacken vor allem mit der neuen  „Polartec Alpha“-Isolation. Diese Jacken sind sehr dehnfähig, zugleich hoch atmungsaktiv, winddicht und durch eine DWR-Beschichtung wasserabweisend. Besonders vielseitig sind außerdem wasserdichte, hoch atmungsaktive Gore-Laminate, die mit technischem Softshell-Gewebe im Rumpf- und Unterarmbereich verbunden sind. Zwei Material-Technologien decken so eine große Bandbreite von Wettersituationen ab und sorgen dafür, dass insgesamt weniger Bekleidung benötigt wird.

Merino voll im Trend

„Back to the Roots“ bedeutet aber auch mehr Natürlichkeit. Hier spielt Merino-Wolle ganz vorne auf. Der neuseeländische Merino-Spezialist Icebreaker beispielsweise will mit seiner Sommer-Kollektion 2015 neue Maßstäbe in puncto Stoffinnovation, Design und Funktionalität setzen. Dazu vereint das neue Icebreaker „Cool-Lite“, das nächsten Sommer Premiere mit sportlicher Funktionsbekleidung feiert, die Vorteile von hochwertiger Merino-Wolle und nachhaltig erzeugtem Holz. Laut Mark Koppes, Vice President of Product bei Icebreaker, wird diese Kollektion nicht nur alte Merino-Fans, sondern auch neue Kunden dazu ermuntern, funktionelle, edle Merino-Kleidung zum Wandern, Reisen, Performance-Sport und Yoga zu entdecken.

Beim deutschen Bergsport- Ausrüster und Merino-Spezialisten Ortovox spielt kommenden Sommer die Funktionsfaser „-Merino Cool“ weiter eine tragende Rolle. Dabei handelt es sich um ein natürliches Fasergemisch aus Merino und der kühlenden Eukalyptusholzfaser Tencel. Laut Anbieter eignet sie sich ideal für sportliche Aktivitäten bei hohen Temperaturen oder bei besonders hohem Aktivitätsgrad. Hier setzt Ortovox weiterhin auch auf die Linie „Merino Competition Cool“. Die Materialmischung besteht aus 44 Prozent Polyamid, 27 Prozent Tencel, 27 Prozent Merinowolle und 2 Prozent Elasthan. Die Produkte können nahtfrei im Rundstrickverfahren gefertigt werden. Die zuletzt mit dem Outdoor-Industry-Award ausgezeichnete Linie wurde noch um zwei neue Farboptionen erweitert.

Die Natur als Vorbild

„Primaloft Silver Insulation Performance Fleece“, „Polartec Alpha Isolation“, „Merinopren“, „Hydroloft“ – Membranhersteller und Bekleidungsfirmen setzen auf neue Materialmixe, um die Funktion ihrer Teile zu steigern. US-Hersteller Columbia wiederum vereint in seiner „TurboDown“-Isolierung zwei Schichten: In Körpernähe kommt eine klassische Wattierung zum Einsatz, darauf liegt eine Schicht Daune. Primaloft geht noch einen Schritt weiter und verbindet wasserabweisend ausgerüstete Daune komplett homogen mit Mikrofasern zum neuen „Primaloft Performance Down Blend“. Die neue Hybridisolation soll selbst nach vielen Waschgängen ihre Eigenschaften behalten und sehr viel schneller trocknen als unbehandelte Daune. Adidas, Salewa, Helly Hansen und Vaude setzen das neue Produkt bereits ein. Polartec wiederum baut sein bereits seit letztem Winter eingesetztes Isolationskonzept aus: „Polartec Alpha“ besteht aus einem neuartigen Gestrick mit Gitterstruktur, das eine dynamische Luftzirkulation zulässt. Dadurch soll eine hohe Atmungsaktivität und Elastizität gewährleistet sein.

Währenddessen präsentiert Faserhersteller Schoeller mit „C-Change“ eine neue wind- und wasserdichte Membrane, die aktiv auf wechselnde Temperaturen und Aktivitäten reagieren soll. Je nach Situation werde die Atmungsaktivität beziehungsweise der Wärmerückhalt erhöht. Damit sorge „C-Change“ laut Anbieter immer für ein optimales Körperklima. Der Schweizer Membranspezialist nimmt sich hierfür die Natur zum Vorbild. Wie bei dem Effekt, den man zum Beispiel bei Tannen-zapfen beobachten könne, die sich bei unterschiedlicher Witterung -öffnen und schließen, reagiere das neue Produkt auf unterschiedliche Umgebungsbedingungen. Die Membrane sei dauerhaft wind- und wasserdicht und biete so Schutz bei jedem Wetter. Marken wie Canada Goose, Mammut und Adidas wollen die Naturlösung bereits einsetzen. Nach Ecorepel hat Schoeller damit ein weiteres heißes Eisen im Feuer. Seit der Produkteinführung von Ecorepel Anfang 2012 hat sich diese Technologie in vielen Einsatzbereichen als beliebte Alternative zu PFC-haltigen Textilausrüstungen entwickelt. Da die Technologie sehr waschbeständig und abriebfest ist, stellt sie eine gute Kombi-nation aus Funktion und Nach-haltigkeit dar.

Suche nach PFC-Alternativen

In puncto Fluorcarbon-Ausstieg will auch Outdoor-Ausrüster Vaude rasch weiter voranschreiten. Bis spätestens 2020 wollen die Tettnanger poly- und per-fluorierte Chemikalien (PFC) -komplett aus ihrem textilen Produktionsprozess verschwinden lassen. „Unsere Bekleidungs-Kollektion wird bereits vollständig ohne das besonders umstrittene PFOA ausgerüstet. Schon jetzt bieten wir wasserdichte Outdoor-Jacken mit PFC-freier -Membrane und DWR-Ausrüstung an“, berichtet Vaude-Chefin Antje von Dewitz. Ab Sommer 2015 sind in der Bekleidungskollektion sämtliche wasserabweisenden Styles komplett PFC-frei (insgesamt 79 Softshells, Trekkinghosen). Ein spezielles Eco-Finish-Icon als Hang-Tag und im Orderbuch erleichtert die Orientierung für umweltbewusste Händler und Kunden. „Mit Hochdruck testen und forschen wir weiter an neuen, umweltfreundlichen Alternativen, um auch bei den wasserdichten Modellen und in der Hartware stets die ökologisch fortschrittlichste Technologie einzusetzen“, so Vaude. Für dieses wichtige Thema bietet der Ausrüster umfassendes Informations- und Schulungsmaterial für den Fachhandel an. Die Verkäufer sind dankbar. „Wir müssen generell erste einmal alles wissen, um den Kunden das richtige Maß an Technologie verkaufen zu können“, meint ein Globetrotter-Verkäufer aus Köln. Doch nicht jeder Kunde vertrage allzuviel Technologie – und auch nicht jeder wolle jedes kleinste Detail zum Produkt und seinem Können wissen. Hier gelte es, die richtige Nase zu entwickeln. Das sei eben die Kunst des Verkaufens.

 

 

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