Camping wird zu Einstiegsdroge

03. Juli 2013

Seit Jahren entwickelt sich Campingsport als heimlicher Bestseller im Outdoorhandel. Das Equipment vom Zelt über Schlafsäcke bis zum Kocher und Klappstuhl wird technisch immer ausgefeilter, die Ansprüche der Campingfans steigen und fordern den Fachhändler heraus. Die Campingabteilungen im Sport- und spezialisierten Outdoorhandel wachsen dementsprechend mit. Sowohl im Online­geschäft als auch im stationären Handel werden Sortimente ausgebaut, und die Umsatzanteile wachsen. Über Kocher und Co. kann sich der ­Fachhandel profilieren und neue Umsatzfelder bestellen. Über 24.000 Campingplätze laden europaweit ein. In Deutschland boomt das Campingbusiness vor allem an weitläufig verzweigten Seenlandschaften im Norden und Osten. Auch in Bayern, vom Chiemsee bis zum Starnberger See, wächst die Zahl der Outdoorfans, die ihren Campingausflug mit bester Ausrüstung vorbereiten. Meist sind es Wochenendabenteurer, immer häufiger aber werden ganze Camping­ferien geplant und lassen die Nachfrage nach Zelten, Schlafsäcken und technischer Ausrüstung im Handel hochschnellen.

In der Schweiz und in Österreich steigt die Zahl der Camping-Fans ebenfalls, wie örtliche Händler berichten. So wurde eigens im neuen Züricher Flagshipstore von Outdoor-Filialist Transa das Campingsortiment neu aufbereitet und gut sichtbar positioniert. Zudem steigt in der Schweiz seit einigen Jahren die Nachfrage nach Campingartikeln, da die Eidgenossen immer häufiger ihren Urlaub im eigenen Land verbringen. Oft wird solch ein Urlaub mit Bergtouren oder Radausflügen verbunden. Darauf haben sich auch Schweizer Sport-Discounter wie Athleticum, Ochsner und SportXX eingestellt. Ihr Ziel ist es, eine preisbewusste Kundschaft zu bedienen, denn: Der Campingausflug für die ganze Familie muss gut vorbereitet sein.

Profilieren mit Kocher und Co.

Auf Campingsausflüge für die ganze Familie hat sich in Deutschland der süddeutsche Outdoorhändler Bergzeit aus Taufkirchen bei München spezialisiert. Als einer der größten Zeltanbieter der gesamten Republik konnte er sein Einzugsgebiet bis nach Mecklenburg-Vorpommern ausdehnen. Bergzeit verkauft seine Produkte sowohl stationär als auch über das Internet. Dem Trend entsprechend setzt Klaus Lehner, Gründer von Bergzeit, zusätzlich auf eine kompetente Onlineberatung, die neuerdings zum Beispiel auch Kauf- und Produktberatung zu den Themen Zelte und Schlafsäcke sowie Kochgeschirr und speziell Outdoorkocher umfasst. Das Angebot ist über die Website gut zu finden und weckt nach Angaben des Unternehmens immer mehr Interesse. Geschickt ergänzt Lehner damit schnelle und zeitlich ungebundene Beratung mit seinen passenden Angeboten im Laden. Nach einer Vorinformation wollen viele Kunden gerade auch im Campingsektor zusätzlich die Geräte und Ausrüstung im Geschäft testen und begutachten. Vor allem im Zeltbereich steigen die Ansprüche und die Vielfalt der Angebote.

Neben der unterschiedlichen Personenanzahl für das Zelt und die Zeltform (Tunnel-, Trekking- oder Igluzelt) geht es immer mehr auch um die Anwendung. So beschäftigt sich der Handel mittlerweile auch mit Bus- und Caravan-Vorzelten, mit Gerätezelten, Duschzelten, Windschutz und Zeltzubehör. Selbst Campingmöbel rücken immer weiter in den Fokus. Auf diese Weise wächst die Produktpalette stetig und ruft Spezialisten auf den Plan, die sich neben dem etablierten Sport- und Outdoorhandel positionieren. Ein Beispiel: Der Campingmarkt Thomas in Gescher nahe Münster hat sich genau auf dieses Marktumfeld spezialisiert und genießt über sein zusätzliches Website-Angebot einen guten Ruf weit über die Landesgrenzen hinaus. Fredy Thomas, Inhaber des Campingmarkt Thomas, bietet ebenfalls eine telefonische Kauf- und Produktberatung an.

Top-Equipment: Von der Outdoor-Jacke bis hin zum Grillbesteck – die Ausrüstung geht mittlerweile weit über das einfache Zelt hinaus.

Rucksäcke, Schlafsäcke und Zelte sind das eine, hochtechnische Produkte, Heiz- und Belüftungssysteme oder Elektrik und Energie beim Camping das andere. Neuerdings hat sich der ­Handel zusätzlich auf den Bereich Wintercamping gestürzt. Auch hier ist ein Trend zu beobachten,  den der versierte Händler nicht an sich vorbeiziehen lassen sollte.  Als vorrangige Zielgruppe unter Campern werden außerdem sogenannte „Comfort-Outdoorer“ angesprochen. Genau diese will auch Coleman-Tochter Campingaz noch stärker über den Sport- und Outdoorhandel ansprechen: mit speziellen, ausgetüftelten Lösungen für Hobby-Outdoorer, die im Freien kochen, grillen und kühlen wollen.

Vom Klappstuhl zum „Hardcore“-Outdoor

Camping kann also weitaus mehr sein als nur der einfache Klappstuhl am Badesee. Für manch einen ist es die Einstiegsdroge in den Outdoor-Bereich überhaupt, für den anderen geht es dabei um eine freizeitorientierte Einstiegsdisziplin in die sportliche Outdoor-Faszination.  Als eigene ­Kategorie entdeckte der Sport- und Outdoor­handel das Thema Camping bereits vor einigen Jahren für sich. Mit den Zuwächsen in der Warengruppe Camping sei man sehr zufrieden, freuen sich brandenburgische Sporthändler.

Im wasserreichsten Binnenbundesland der Bundesrepublik gehört Camping wie auch der Bade- und Wassersport in den Sommermonaten zu den umsatzstarken Sortimenten. Allerdings entbrennt dadurch ein Kampf um die (teure) Verkaufsfläche, erklären Händler, da man zu viele Campingmöbel einfach nicht aufstellen könne. Trotzdem: Platz wird gesucht – wie auch beim Münchner Bergsporthändler ­Schuster. Camping­möbel und Zubehör wie Matten oder Koch­geschirr sind in der Trekkingabteilung ­untergebracht. Camper sind hier genauso willkommen wie Hardcore-Outdoorer und erfahren die gleiche Beratungsleistung, etwa wenn es um Vor- und Nachteile von unterschiedlichen Zündern geht oder um die Qualitätsmerkmale unterschiedlicher Imprägnierungssprays.
Das Camping gerät also auch zunehmend in den Fokus der Outdoor-Hersteller. Über Service, Beratung und Qualität könne sich der Fachhandel besonders profilieren, wie Vaude-Sprecherin Birgit Weber unterstreicht. Bei dem Gestänge gebe es riesige Unterschiede, erklärt Weber und verweist auf versteckte Bruchgefahren bei Billig­anbietern. Das Thema Camping gewinne bei Vaude mit Liegematten über Geschirr bis Campingzelten für Familien immer mehr an Bedeutung. So weicht der Hobby-Trend Camping einem anderen: Hightech-Zelten mit Öko-Anspruch.

Dauerbrenner: Trotz oder wegen des Hypes? Rucksäcke sind weiterhin wichtige Umsatzträger.

Das hat auch monetäre Auswirkungen: Das Preisniveau für Zelte ist dadurch deutlich nach oben gerutscht und liegt oft über 300 Euro im Fachhandel. Aldi, Lidl und Co. haben sich aus diesem hochpreisigen Bereich fast  zurückgezogen und verhökern eher günstige Produkte für die breite Masse. Für den Outdoorhandel eröffnen sich neue Chancen, die auch genutzt werden. So entpuppen sich Zeltausstellungen in diesem Jahr als Verkaufs- und Kundenbindungs-­Schlager. Häufig ist in den Outdoorgeschäften jedoch kaum Platz, um eine Auswahl von Zelten zu präsentieren. Flächengiganten wie Globetrotter sind die Ausnahme, aber selbst der Hamburger Outdoor-Filialist organisiert an verschiedenen Standorten im Sommer große mehrtägige Verkaufs-Events mit Zelten, Booten und Accessoires, die nach eigenen Angaben jedes Jahr mehr Fans und Interessierte anziehen.

Zelte wandern aufs Dach

Zelte und Rucksäcke zählen sicher weiter zu den wichtigen Umsatzträgern im Outdoorgeschäft. Der Campingtrend stützt diese Tendenz noch. Zudem ergibt sich oft ein Zusatzgeschäft, das von Wintercamping bis Reise- und Wanderkarten reichen kann. Der Outdoorhandel hat erkannt, dass er mit hochwertigem Equipment neue Kunden begeistert und in die Läden zieht. Händler gehen sogar mit ihren Kunden in die Natur, um die Camping­aus­rüstung zu testen. Viele Verkäufer sind ausgebildete Wildnisführer und echte Experten. Allerdings benötigen Zelte viel Platz, daher wandern viele Zelte im Sommer auf Außenflächen oder sogar auf die Dächer. Zwar wollen branchenfremde Discounter wie Lidl in diesem Frühjahr doch wieder mit Camping-Sonderposten mitmischen, jedoch ist dieses Segment inzwischen viel zu anspruchsvoll geworden, als dass diese Verkäufer wirklich eine Chance hätten. Sie können in Bezug auf Qualität und Service nicht mithalten.

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