„Wir wollen frischer und emotionaler werden“

23. Januar 2018

Eine neue Online-Händlerplattform, der Start des neuen Store-Konzeptes, der Rückzug von Vorstand Jochen Schnell – viel hat sich 2017 getan beim Sporthandelsverbund Intersport . In einer Pressegesprächsrunde zum Ende des vergangenen Jahres stellte sich der Vorstandsvorsitzende Kim Roether Fragen zu diesen und weiteren Themen. Zudem erläuterte er die Zukunftsstrategien und -erwartungen von Intersport. outdoor.markt fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.

Wie ist das Jahr 2017 für Intersport insgesamt gelaufen, und wie hat sich speziell der Bereich Outdoor entwickelt?
Kim Roether:
Für Intersport Deutschland werden wir von den Umsätzen her über Vorjahresniveau liegen, was in einem Jahr ohne WM oder EM sehr zufriedenstellend ist. Äußerst positiv hat sich Intersport Austria entwickelt, dort läuft es auf ein zweistelliges Umsatzplus hinaus. Outdoor ist weiter ein wichtiges Segment für unsere Händler, bleibt von den Umsätzen her recht stabil, liegt sogar leicht im Plus.

Angesichts von meist wenig Schnee und milden Temperaturen in den vergangenen Saisons: Wie hat sich das Wintergeschäft in den letzten Jahren entwickelt?
Der Winter ist inzwischen ein herausforderndes Thema. Skifahren hat sich für viele zu einer Art „Spontansportart“ entwickelt. Heißt: Sobald Schnee fällt und die Bedingungen zum Skifahren gut sind, steigen auch unmittelbar die Verkäufe. Insgesamt aber werden nicht mehr so viele Ski gekauft wie früher. Vor fünf Jahren hat Intersport beispielsweise noch 230.000 Paar Alpinski verkauft, in der Saison 2016/17 waren es nur noch 150.000. Bei Snowboard ist der Rückgang im Verhältnis noch stärker. Da gingen vor fünf Jahren noch rund 40.000 in Intersport-Geschäften über die Ladentheke, 2016/17 waren es nur noch 10.000. Viele Snowboarder kehren inzwischen wieder zum Skifahren zurück. Erfreulich hat sich zuletzt der Bereich Langlauf entwickelt. Hier haben unsere Händler im Winter 2016/17 rund 75.000 Paar verkauft.

Können die Verluste beim -Skiverkauf durch andere Faktoren aufgefangen oder in Grenzen gehalten werden?
Stark gewachsen ist das Verleihgeschäft, das durchaus lukrativ ist. Hier haben wir mit unserer Rent-Plattform, über die der Kunde sich online für viele Skigebiete sein komplettes Ski-Equipment vor Ort reservieren und bereitstellen lassen kann, das beste Angebot in Europa. Ein Verleihservice bietet lokal zudem die Chance zusätzlicher Verkäufe bei Ausrüstung und Accessoires – oder mit Service-angeboten zu punkten wie der individuellen Anpassung von Skischuhen. Wir versuchen außerdem, gerade Jüngere fürs Skifahren zu begeistern. Dafür engagieren wir uns mit verschiedenen Partnern – etwa im Rahmen der Initiative „Dein Winter. Dein Sport.“ – in vielen Projekten, zum Beispiel in Schulen. Auf der anderen Seite sind für die Bergregionen auch andere saisonale Alternativen als Ergänzung im Kommen, wie Mountainbike oder E-Bike, wo die Verkäufe gerade in Österreich zuletzt stark gestiegen sind.

Wie sieht die zukünftige Entwicklung für den Skisport angesichts des fortschreitenden Klimawandels aus?
Wir müssen uns alle darauf einstellen, dass wir weniger Skitage als früher haben. Die Mittelgebirge sehen schweren Zeiten entgegen, denn der Skisport wird sich immer mehr auf höher gelegene Gebiete fokussieren. Insofern sind die Perspektiven in den Alpen weiter gut. Das alles wird wohl auch dazu führen, dass Skifahren tendenziell exklusiver wird.

2017 hat sich viel getan bei Intersport. Wann werden Sie einen Nachfolger von Jochen Schnell, der sich 2017 zurückgezogen hat, präsentieren?
Unser Aufsichtsrat möchte im Laufe des Jahres sicher eine Lösung präsentieren, aber wann genau das sein wird, kann ich nicht sagen. Es geht darum, jemanden zu finden, der zu dem von uns angestrebten Wandel von einer Einkaufsorganisation hin zu einem digital geprägten Retail-Verbund passt.

Welche Bedeutung kommt dem neuen Logistikzentrum zu, das Sie in Heilbronn bauen?
Dieser Neubau ist ein wichtiges Element unseres strategischen Ziels, das wir schon vor Jahren formuliert haben: die bessere Versorgung unserer Mitglieder sowie die Optimierung der Warenversorgung und der Warenverfügbarkeit. Die Lieferfähigkeit wird für den Handel immer wichtiger. Es war zuletzt im Weihnachtsgeschäft festzustellen, welch große Herausforderung darin liegt. Deshalb investieren wir, um in diesem Bereich gut aufgestellt zu sein. In Heilbronn investieren wir 40 Millionen Euro für ein 12.000 Quadratmeter großes modernes Kombi-Hochregallager. Zusätzlich haben wir ein neues Lager für die Nike-Logistik in Schweinfurt hochgefahren und unsere Lagerflächen in Hamburg vergrößert. Diese Maßnahmen sind wichtig, um unsere zentralen Zukunftsprojekte zum Erfolg zu führen: die Kooperative Online-Händlerplattform und die Store-Konzeptlandschaft, die wir im Oktober mit drei Geschäften in Berlin gestartet haben.

Ein großes Projekt war der Start der kooperativen Händler-Plattform. Wie läuft diese bisher an, und welche Ziele setzen Sie sich für 2018?
Bisher können wir sagen, dass es gut läuft. Qualität und Funktionalität der Plattform stimmen. In den ersten zehn Wochen haben unsere Händler über die neue Plattform bereits so viel verkauft wie wir im gesamten Zeitraum 2017 mit dem alten Modell. Und diese Entwicklung haben wir praktisch ohne aktives Online-Marketing erreicht – das wir in diesem Jahr konsequent aufbauen werden. Das Interesse unserer Mitglieder ist enorm, es gibt eine Warteliste. Wir werden die Händler nach und nach integrieren. Zurzeit sind über 60 Standorte angeschlossen, bis Ende des Jahres wollen wir 200 Mitglieder erreichen. Langfristig gesehen haben wir die Chance, mit Intersport eine relevante Marke im E-Commerce zu sein.

Im Oktober haben Sie mit drei Geschäften in Berlin Ihr neues Store-Konzept für den stationären Fachhandel mit Elementen wie einer VR-Erlebniswelt, einem „Magic Mirror“ oder der sogenannten Warendrehscheibe gestartet. Wie beurteilen Sie die Umsetzung und wie waren die Reaktionen bisher?
Das war für Intersport ein Meilenstein. Unser gesamtes Team hat hier eine super Arbeit geleistet. Grundsätzlich kommt es uns darauf an herauszufinden, wie der Fachhandel der Zukunft aussehen kann, was der Verbraucher erwartet und was er wie annimmt. Die Reaktionen sowohl aus der Industrie als auch vonseiten des Verbrauchers zeigen uns, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Viele Hersteller haben gesagt: „Wow, so stellen wir uns den stationären Handel der Zukunft vor.“ Erste Auswertungen zeigen, dass die Besucherfrequenz in den drei neuen Läden um fast zehn Prozent gestiegen ist. Aber natürlich ist das Projekt damit nicht abgeschlossen. In den kommenden 12 bis 18 Monaten gilt es für uns zu analysieren und zu lernen, um unser Store-Konzept weiterzuentwickeln und für alle Mitglieder passend zu machen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Verknüpfung von digitaler und stationärer Welt, etwa über die Warendrehscheibe. Damit können wir unseren Kunden auch Artikel bereitstellen, die im betreffenden Laden vor Ort vielleicht gerade nicht vorrätig sind. Dann liefern wir einfach von einem anderen an die Wa-rendrehscheibe angeschlossenen Mitgliedshaus.

Werden 2018 weitere Shops nach diesem Konzept (um-)gestaltet und damit in die neue rot-blaue Intersport-Welt integriert?
Fest steht, dass vier weitere Geschäfte in diesem Jahr dazukommen werden, zwei in Berlin, eins in Hamburg und eins in Braunschweig. Und es gibt weite-re Anfragen. Grundsätzlich wollen wir möglichst viele unserer Mitglieder dafür gewinnen, diesen Weg mitzugehen. Aber wir wollen ihnen das nicht überstülpen. Wir haben das Konzept in Roadshows und im persönlichen Kontakt vorgestellt, dazu gehen wir aktiv auf jeden Händler zu und führen 1:1-Gespräche. Viele haben großes Interesse daran, möglichst schnell dabei zu sein. Insgesamt wird die Umwandlung in mehreren Wellen erfolgen. Dort, wo etwas Neues gebaut wird, sollte dies im Stil der neuen Konzeptlandschaft umgesetzt werden. Mitglieder, die ihren Ladenbau eben erst erneuert haben, folgen später. Im Rahmen von verbindlichen Spielregeln hat jeder Händler seine Freiheiten. Bestimmte Elemente müssen aber verpflichtend sein, sei es beim Ladenbau, der Ausgestaltung der Digitalisierung im Geschäft oder die Teilnahme an Services und Dienstleistungen für den Kunden, wie etwa der elektronischen Gutscheinkarten.

Wofür steht die Marke Intersport und in welche Richtung soll sie sich weiterentwickeln?
Wir wollen die Marke künftig frischer und emotionaler darstellen. Eine Umfrage bei Händlern und Endverbrauchern hat ergeben, dass Intersport als verlässlich und vertrauenswürdig gesehen und positiv im Preis-Leistungs-Verhältnis bewertet wird. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass Intersport ein etwas angestaubtes Image hat. Das wollen wir ändern. Neben den genannten Attributen „frischer“ und „emotionaler“ spielt auch hier die Verknüpfung von stationär und digital eine große Rolle sowie eine noch größere Kundenzentriertheit. Konkret werden wir künftig eine andere Bildsprache verwenden, mit einem neuen Logo arbeiten und unser Banner-Mark stärker herausstellen. Darüber hinaus wollen wir die Marke mehr über Erlebnisse präsentieren und die sozialen Medien dafür noch besser nutzen. Unsere Mitarbeiter werden mehr im Fokus stehen. Der Kunde soll Intersport mit Namen und Gesichtern verbinden. Und an noch einem wichtigen Punkt arbeiten wir: die Verbindlichkeit und Wieder-erkennbarkeit der Marke für den Kunden. Wo Intersport dran steht, muss Intersport drin sein. Hier greifen am Ende alle Konzepte ineinander. So werden wir jedem Händler einen sogenannten Fitness-Check anbieten und herausarbeiten, ob er in seinem Angebot und in seiner Darstellung in Richtung Kunde die Markenwerte von Intersport klar vertritt.

Strebt Intersport für die nächsten Jahre ein Wachstum der Mitgliederzahlen an?
Im Handel wird es generell in den nächsten Jahren zu einer Marktbereinigung kommen, es wird weniger Fachhandelsgeschäfte geben. Diese Entwicklung spüren wir auch bei Intersport. Wir haben zuletzt Händler verloren, aber die Flächenanzahl insgesamt ungefähr gehalten. Unser Fokus liegt darauf, für unsere Mitglieder das Richtige zu tun. Die Devise heißt nicht, immer nur mehr Mitglieder zu gewinnen.

Hintergrundinfos:

1. Kooperative Händlerplattform

Im Herbst vergangenen Jahres startete Intersport online seine kooperative Händlerplattform. Federführend bei Entwicklung und Umsetzung war die neu gegründete Tochtergesellschaft Intersport Digital GmbH unter der Leitung von Chief Digital Officer Carsten Schmitz. Auf der Plattform wird ein dreistufiges Modell angewendet. Sucht ein Kunde auf der Homepage nach einem bestimmten Produkt, bekommt er immer den nächstgelegenen regionalen Händler angezeigt. Hat dieser das Produkt, kann der Kunde es sich schicken lassen oder online reservieren und beim Händler abholen. Ist der Artikel beim nächstgelegenen Intersport-Händler nicht verfügbar, wird der Suchradius sukzessive erweitert. Wird das Produkt dennoch nicht gefunden, kann es vom neuen E-Commerce-Lager in Berlin geschickt werden, wo Intersport künftig die Topseller, also die meistverkauften Produkte, bereithält. Ist der verlangte Artikel auch dort nicht vorrätig, wendet sich Intersport direkt an den Hersteller, um den Kundenwunsch zu erfüllen.

2. Neues Store-Konzept/„blaue“ und „rote Welt“ 

Im Oktober präsentierte Intersport in drei neu eröffneten „Future-Stores“ in Berlin seine rot-blaue Konzeptlandschaft: im Einkaufszentrum Alexa, in den Hallen am Borsigturm in Tegel und im Stern-Center in Potsdam. Der Ladenbau folgt einem international neu entwickelten Shop-Konzept und integriert modernste digitale Elemente. Highlights sind der sogenannte Action Place, das Experience Center oder der Pro Place. Displays, Touchscreens, digitale Umkleidekabinen und der Einsatz von Virtual-Reality-Technik, Hologrammen und Magic Mirrors zeigen die ganze Bandbreite an Einkaufserlebnissen für den Kunden. Intersport testet mit den Pilotstores in Berlin gleichzeitig ein neues System der permanenten Warenverfügbarkeit für den Kunden. Die Sortimente der drei Geschäfte sind über eine sogenannte Warendrehscheibe direkt mit Intersport Olympia in Berlin verknüpft. So kann dem Kunden immer der gewünschte Artikel verfügbar gemacht werden, auch wenn er vor Ort einmal nicht gefunden werden sollte. Zugleich war die Eröffnung auch der Start eines neuen Ladenkonzepts, das für die Händler eine blaue und eine rote Welt bereithält. Die stationären Geschäfte der „blauen Welt“ orientieren sich stärker an Systembausteinen. Hier gibt der Verbund den Händlern ein neues, modernisiertes Store-Konzept mit bestimmten Elementen vor. Händler der „roten Welt“ haben in der Gestaltung ihrer Läden größere Freiheiten. Sie können die einzelnen Elemente des Konzepts flexibel an ihre Geschäfte anpassen. Die drei neuen Pilotstores gehören zur blauen Welt. Es sind Flächen der Retail-Tochter Intersport Voswinkel.

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