„Das Thema von allen Seiten anpacken“

Schon vor mehreren Wochen hatten wir ein Interview mit  Michael Jakob  verabredet, der für US-Funktionsspezialist  Primaloft  im Europa-Headquarter im bayrischen Taufkirchen in  leitender Funktion tätig ist. Um das Thema Nachhaltigkeit sollte es gehen. Dann überrollte uns alle die Coronakrise  – und so haben wir ihn natürlich zunächst dazu befragt und sind danach zum geplanten Thema Nachhaltigkeit gekommen.

 

outdoor.markt: Herr Jakob, im Zuge der Coronakrise gab es auch Produktionsstilllegungen. Läuft die Arbeit in den Produktionsstätten, mit denen PrimaLoft zusammenarbeitet, weiter – oder wie stellt sich die Lage dar?

Michael Jakob: Durch unser globales Netz an Produktionsstätten, das wir in den vergangenen Jahren verstärkt ausgebaut haben, können wir vereinzelte Engpässe und Produktionsstopps in anderen Werken kompensieren. Wir können so Produktionsaufträge zwischen und innerhalb Asiens, Europa oder Amerika umverteilen. Aktuell laufen fast alle Produktionsstätten wieder normal und wir gehen davon aus, dass wir alle Aufträge rechtzeitig ausliefern. Was wir allerdings noch nicht abschätzen können, ist, wie die Auswirkungen auf den globalen Güterverkehr sein werden.

 

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden enorm sein. Wie beurteilen Sie diese Situation für die Branche insgesamt, und inwieweit treffen die Negativfolgen auch Primaloft?

Als aktuell gesundes Unternehmen gehen wir mit einer positiven Einstellung an diese Herausforderung heran und erarbeiten, ähnlich wie die Bundesregierung, einen Maßnahmenkatalog, um auf antizipierte Eventualitäten schnellstmöglich reagieren zu können. Die Orders von Kunden zu Beginn dieses Jahres waren stark, was dazu beitragen wird, die Auswirkungen der wirtschaftlichen Situation auf unsere Branche in den kommenden Monaten und sogar Jahren abzuschwächen. Besonders hart trifft die Krise natürlich das Ladengeschäft, was gerade für kleinere Händler existenzbedrohend sein wird. Ich kann nur hoffen, dass die staatlichen Hilfen auch dort die Probleme abschwächen können. Allerdings bringt die Situation für Marken und Händler auch die Chance, das Online-Geschäft zu stärken und sich in Richtung Omnichannel zukunftsorientiert und konkurrenzfähig aufzustellen. Ein gutes Beispiel für agiles Handeln ist aktuell Sport Schuster, wo die Mitarbeiter aus dem Laden nun vom Homeoffice aus Kunden telefonisch oder digital beraten. Weitere wichtige Maßnahmen sind virtuelle Produktbeschreibungen und -Präsentationen und die Kommunikation über die sozialen Medien.

Herr Jakob, auf der Homepage von PrimaLoft steht komplett der nachhaltige Aspekt im Fokus: „recycled content“, „Pure“, „Bio“. Dies ist auch schon vom Erscheinungsbild ein ganz anderes als „früher“, als man vor allem die „Performance“ betont hat. Ist das Performance-Thema „out“?

Nein, absolut nicht. Die Performance unserer Produkte hat denselben Stellenwert wie bisher. Ebenso war das Thema Nachhaltigkeit schon immer fester Bestandteil unserer Arbeit. Wir haben vielmehr das Thema Nachhaltigkeit in unserer Kommunikation stärker in den Fokus gerückt und somit unsere Markenwerte erweitert. Unser Claim „Relentlessly Responsible“ verdeutlicht das sehr gut. Unser Ziel ist die perfekte Mischung aus leistungsstarken Produkten und Verantwortung für die Umwelt. Wir stärken beide Aspekte gleichzeitig und streben danach, in allen Bereichen möglichst nachhaltig zu agieren, ohne dass die Performance leidet. Zum Beispiel haben wir bei unseren neuesten Innovationen „PrimaLoft Bio“ und „PrimaLoft P.U.R.E.“ sehr darauf geachtet, dass die Leistung mindestens gleich bleibt oder sogar noch besser ist als bei den bisher angebotenen Produkten. Darauf achten wir auch, wenn wir den Recyclinganteil bei bewährten Produkten stetig erhöhen. 

Wie steht PrimaLoft in Bezug auf den selbst gesteckten Plan, dass bis Ende 2020 in 90 Prozent der eigenen Produktlinien mindestens 50 Prozent recycelte Materialien verwendet werden sollen?

Dieses Ziel haben wir erreicht. Obwohl wir unser Portfolio in den vergangenen fünf Jahren noch einmal erheblich vergrößert haben, konnten wir sicherstellen, dass der Mindestanteil an recyceltem Material bei fast allen Produkten immer ohne Einbußen in Sachen Performance umgesetzt werden konnte. Wenn wir vom Gesamtvolumen an verkauften Produkten ausgehen, haben wir unser Ziel von 90 Prozent deutlich übertroffen.

Ein anderes Thema packen Sie mit Ihrer jüngsten Entwicklung „P.U.R.E.“ an: die CO2-Emissionen in der Herstellung. „P.U.R.E.“ ist ein Herstellungsverfahren. Wie kann ich mir das vorstellen: Können Industriepartner wählen zwischen PrimaLoft-Isolationen, die im „P.U.R.E.“-Verfahren hergestellt, und solchen, die „klassisch“ gefertigt sind?

Ja genau. Wir sprechen hier von sogenannten Produktplattformen, bei denen wir existierende Produkte mit neuen Eigenschaften versehen – wie beispielsweise der biologischen Abbaubarkeit von „PrimaLoft Bio“ oder eben der Reduzierung der CO2-Emissionen um nahezu 50 Prozent durch das Herstellungsverfahren PrimaLoft® P.U.R.E.“. Nach der Entwicklung innovativer Technologien erproben wir die Anwendung schrittweise für alle anderen Produkte unseres Sortiments, um sicherzustellen, dass die Funktionalität gewährleistet ist. Unsere Kunden können zunächst zwischen der „klassischen“ Version und der neuen Variante wählen. Unser Plan für beide genannten Technologien ist jedoch – ähnlich wie beim Einsatz von Recyclingmaterial –, die gesamte Produktpalette auf die neuen, nachhaltigen Technologien umzustellen und, sofern möglich, nur noch diese anzubieten.

Wie kommt „P.U.R.E.“ bei den Herstellern und im Handel an? 

Bei „PrimaLoft P.U.R.E.“ haben wir mit Patagonia einen Partner, der entscheidend an der Entwicklung beteiligt war und die Technologie entsprechend für ein Jahr exklusiv nutzen darf. Es ist aber im Sinne beider Marken, die Technologie möglichst bald der gesamten Industrie zur Verfügung zu stellen. Deshalb haben wir mit dem Reinverkauf an andere Markenpartner bereits begonnen. Das Interesse ist groß, und die bisherigen Rückmeldungen sind sehr positiv. Wir erwarten deshalb zahlreiche Adaptionen für die Wintersaison 2021. Da Patagonia die komplette „Nano Puff“-Serie auf das „PrimaLoft P.U.R.E.“-Verfahren umgestellt hat und in der Kommunikation auf das Thema eingehen wird, erwarten wir auch im Handel ein großes Echo. Die Gespräche, die wir bisher mit Händlern geführt haben, waren durchweg positiv. Denn auch Handel und Endverbraucher machen sich zunehmend Gedanken über das Thema Nachhaltigkeit – jenseits von Recycling.

Werden Primalofts nachhaltige Entwicklungen aus Ihrer Sicht auch im Hinblick auf den Endverbraucher hinreichend und erfolgreich vermittelt?

Hier arbeiten wir sehr erfolgreich im Tandem mit unseren Markenpartnern. Zum einen haben wir weitreichende Online- und Social-Media-Kampagnen auf unseren Kanälen gefahren und werden das auch weiter tun, um Interesse beim Konsumenten zu wecken. Zum anderen haben wir die Marken mit umfangreichen, digitalen und haptischen Informationsmaterialien für den POS versorgt, damit diese ihre Kanäle und den Handel bespielen können.

Woran arbeiten Sie, um Ihr Angebot im Hinblick auf Nachhaltigkeit weiter zu verbessern?

Wie schon angesprochen, wollen wir das Thema von allen Seiten anpacken, um sowohl unsere Produkte als auch die gesamte Wertschöpfungskette so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Im Zentrum steht momentan, den Ausbau der nachhaltigen Plattform-Technologien „PrimaLoft Bio“ und „PrimaLoft P.U.R.E.“ sowie den Einsatz von recycelten Materialien weiter voranzutreiben. Außerdem widmen wir uns intensiv weltweiten Problemen wie Mikroplastik und Plastikverschmutzung im Allgemeinen. Hier sind Kooperationen mit Partnern wie Adidas und Parley for the Oceans, wie wir sie vor kurzem eingegangen sind, enorm wichtig. Wir wollen Synergien nutzen und gemeinsam den Wandel auf Seiten der Industrie weiter vorantreiben. Schließlich forschen wir als Spezialist für Materialtechnologien kontinuierlich an Innovationen, die von Weltraumtechnologien wie Aerogelen bis zu natürlichen Alternativen zu Polyester reichen.

Vielen Dank für das Gespräch. 

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