„Es ist einiges in ­Bewegung gekommen“ – Teil 2

Dr. Rüdiger Fox,  Geschäftsführer des Münchener Funktionsspezialisten Sympatex, fordert seit Jahren  einen grundlegenden Wandel der Outdoor- und Textilindustrie hin zu einer komplett nachhaltig produzierenden Branche. Im Gespräch mit dem outdoor.markt erklärt er, wieso er nach seinen bisher manchmal polarisierenden Einwürfen nun die Zeit für mehr Diplomatie gekommen sieht.

Wie sieht dieser Schritt aus?

Mit unserem Partner DSM haben wir eine Komponente der Membran, die etwas mehr als 25 Prozent ausmacht, auf biobasierte Quellen umgestellt. Wir nutzen dafür Abfallstoffe aus der Papierindustrie. Dies entspricht dem Gedanken der Zirkularität, dass wir der Natur nichts nehmen, was wir ihr nicht wieder zurückgeben, beziehungsweise dass wir als Textilindustrie uns durch uns selbst ernähren. Wir arbeiten daran, auch die anderen 75 Prozent zu ersetzen, damit wir unser Ziel bis 2030 erreichen. Die Membran ist durch Integration der biobasierten Materialien ein bisschen teurer geworden, das können wir noch selber tragen. Wir können es aber nicht beliebig weitertreiben und die Membrankosten explodieren lassen, denn, wie schon gesagt, macht die Membran nur einen sehr kleinen Teil des Ganzen aus. Das stünde dann in keinem Verhältnis mehr. Insofern wäre es am Ende auch in Ordnung, wenn wir statt 100 nur 97 Prozent erreichen würden.

Reudziertes Logo, neuer Markenclaim, bunte Farbenwelt: Sympatex präsentiert sich mit einer komplett überarbeiteten Corporate Identity.

Wie weit ist die Branche bei dem Thema Zirkularität insgesamt?

Das Projekt Wear2wear, an dem wir und weitere Unternehmen beteiligt sind, hat gezeigt,  dass alle Elemente, die wir brauchen, zumindest rudimentär vorhanden sind – von der Sammlung der Abfälle bis zu den Technologien für das Aufbereiten der Materialien und der Fertigung neuer Bekleidungsstücke. Wir müssen es jetzt auf ein anderes Level hieven, weil die Zeit dafür reif ist.

Wo hapert es noch? Was muss ­beispielsweise in Sachen Sammlung von Altmaterialien noch geschehen?

Wir sind dagegen, Rücknahmen für einzelne Brands in den Läden zu machen. Stattdessen plädieren wir für Materialsammelsysteme, wie wir sie jetzt schon für Papier, Metall und anderes haben. Und auch bei Textil machen wir es im Grunde schon. 70 Prozent der Alttextilien gehen in Deutschland in die Altkleidersammlung. Tatsächlich schmeißen die Sammler aber ausgerechnet kaputtes Polyester weg oder leiten es als Verbrennungsmaterial weiter, weil es für sie bisher nicht wirtschaftlich ist, das zu sortieren. Aber gerade dieses Polyester könnte man am besten nutzen fürs Textilrecycling. Hier müssen wir ansetzen. Denn es gibt schon Verfahren, das Material nach reinem Polyester zu sortieren. Erkennungssysteme mit Artificial Intelligence können aus Bekleidung das Polyester rausholen. Noch besser wäre natürlich eine andere Lösung …

Welche?

Idealerweise würden wir Monomaterialien machen, also möglichst keine unterschiedlichen Materialien zusammenlaminieren, sondern beispielsweise Polyestertextil auf Polyestermembran, eventuell einen entsprechenden Kleber – obwohl dessen Anteil bei unter einem Prozent liegt –, Knöpfe und Reißverschlüsse können auch aus Polyester gefertigt werden. So könnte kann man das Kleidungsstück am Ende seines Lebens schreddern und wieder reines Polyester für das nächste Textil-Produkt gewinnen. Mit Polyester geht das im Übrigen am besten. Das sage ich nicht, weil unsere Membran aus Polyester besteht. Das ist ein historischer Glückstreffer für uns. Aber Polyester ist das dominierende Material in der Textilindustrie. 80 Prozent der in der Textilindustrie verwendeten synthetischen Materialien sind Polyester, und die Recycling-Technologien dafür stehen zur Verfügung. Es würde einfach keinen Sinn machen, die Recycling-Industrie auf etwas anderem aufzubauen als Polyester.

Was wäre der nächste Schritt, um hier einen Durchbruch zu schaffen?

Wir brauchen hier das Commitment der Player in der Branche. Solche fundamentalen Veränderungen kommen immer nur dann zustande, wenn sich ein Großteil der Beteiligten zu den gleichen Regeln verpflichten, so dass diejenigen, die sich nicht daran halten, zu den Spielverderbern werden. 

Wie kommt man zu so einem Commitment?

Sympatex-Laminate bestehn inzwischen zu einem großen Teil aus recycelbaren Materialien. 25 Prozent der Membran des Mücnhener Funktionsspezialisten werden nun aus biobaisertem Material gefertigt.

Das Vorbild ist für mich die UN-Charta zum CO2-Ausstoß, die ich bereits erwähnte. Mit der UN war eine Organisation der Motor, die fast alle respektieren. Die haben die Daten zusammengetragen und der Branche klargemacht: Ihr seid für 8 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Wenn ihr so weitermacht wie bisher, wächst dieser Anteil. Wenn ihr das Problem nicht in den Griff bekommt, wird euch irgendwann der Gesetzgeber dazu zwingen. Ähnlich müsste es jetzt bezüglich des textilen Abfalls funktionieren. Unmengen von Textilien inklusive Schuhe landen jährlich auf der Deponie oder in Verbrennungsanlagen, und wenn wir nichts ändern, wird das Problem wachsen. Wenn sich die Branche unter dem Dach einer anerkannten Organisation mit den Daten dazu konfrontiert, wäre dies der erste Schritt. Dann ginge es darum, Koalitionen zu schmieden und einfach anzufangen.

Wie sehen Sie die technologischen und ökonomischen Herausforderungen in diesem Zusammenhang?

Ich bin fest davon überzeugt: Wenn die Branche sich committen würde, bis 2030 zumindest zu 90 Prozent zirkulär zu sein, dann hätten wir ganz schnell eine Finanzindustrie hinter uns, die investiert. Die Technologien sind weitgehend verfügbar, auch wenn einige noch in den Kinderschuhen stecken und beim chemischen Recycling noch Fragen bezüglich der ökonomischen und ökologischen Effizienz offen sind. Man müsste dem Sammler anständiges Geld bezahlen, dass er das Polyester nicht mehr zur Verfeuerung verkauft, sondern zum Recycler gibt, damit dieser es so aufarbeitet, dass dabei etwas herauskommt, das höchstens so teuer ist wie das Granulat aus Erdöl, das er momentan bekommt.

Manche haben wahrscheinlich ­Sorgen, dass die Kosten explodieren und der Verbraucher nicht mehr bereit ist, das zu bezahlen …

Ich sehe am Ende auch diesbezüglich eher positive Effekte. Wenn wir alle dabei mitmachen, aus Müll hochwertige Produkte zu machen, muss es letztlich zwangsläufig günstiger werden. Mittelfristig ist Nachhaltigkeit auch kommerziell sehr attraktiv. Davon bin ich überzeugt.

Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass die Branche bald geschlossen ­handelt?

Ich sehe schon, dass viel Bewegung und mehr Bereitschaft da ist. Fest steht aber für mich: Wir müssen sehr bald anfangen. Die EU ist im Rahmen ihres Green Deal an dem Thema Zirkularität dran – was ich natürlich begrüße. Wir müssen damit rechnen, dass sie 2025 diesbezüglich eine Richtlinie erlässt. Wir brauchen ein Jahr, um eine neue Kollektion in die Läden zu bringen, eventuell noch mal ein Jahr, um das neue System auszuprobieren und ungefähr ein weiteres Jahr, um die Lieferkette umzubauen. Also, da sind wir eigentlich schon recht spät dran.

Ein anderes Thema hat Sie in den letzten Jahren sehr umgetrieben: die Fluorchemie. Da hat sich doch auch einiges getan …

Dass viele Brands die PFCs in den wasserabweisenden Ausrüstungen von Funktionsbekleidung eliminiert haben oder dabei sind, es zu tun, ist ein wichtiger Schritt. Das zeigt übrigens auch, zu was die Branche in der Lage ist. Wenn wir das auf andere Bereiche  übertragen, kommen wir schnell in eine Vorreiterrolle. Es ärgert mich auch, wie wir als Branche teilweise unser Potenzial vergeuden. Was die Fluorchemie betrifft, wissen wir ja alle, dass sie in Funktionsbekleidung immer noch, was die Membran betrifft, verwendet wird. Auf EU-Level wurde inzwischen eine Initiative ergriffen, die Fluorchemie aus allen Anwendungen verbannen will, wo sie nicht notwendig ist. Dass dies unter anderem unter der Führung von Deutschland geschehen ist, begeistert mich natürlich, denn für die Folgeschäden dieser Chemie gibt es in unserer Branche wirklich keine Rechtfertigung.“

Vielen Dank für das Gespräch!

www.sympatex.com

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