Lagebericht der Branche – ein Analyseversuch

21. Juli 2016

Die Stimmung war schon mal besser, die Laune gelöster – Zahlendruck, Konkurrenzdruck, neue Mitstreiter und ein enger werdender Markt drücken auch in der Outdoor-Branche auf die Stimmung. Zwar steigen die Umsätze kontinuierlich, allerdings in kleinen Schritten, ein entspanntes Aufatmen ist also nicht gegeben. Wo der Schuh zurzeit drückt, welche Hürden und Stolpersteine für Industrie und Handel zu bewältigen sind – der Versuch einer Stimmungsanalyse in der Branche.

Die Outdoor-Branche – eine Familie aus Abenteurern, Entdeckern und Idealisten. Das jedenfalls wird den Konsumenten vermittelt, dieser Eindruck entsteht bei Gesprächen mit Managern großer Marken, Entscheidern und Mitarbeitern. Jahrelang war die Branche familiär, abenteuerlich, gemütlich klein und speziell. Die Identifikation mit der eigenen Marke, den Zielen stand über allem. Unbestritten gilt dies noch immer für den Großteil der Manager der Outdoor-Hersteller, der Idealismus ist weiterhin da, die Liebe zur Natur ungebrochen. Doch wie lange wird das so bleiben, wie lange werden die klassischen „Outdoorer“ noch bei den Unternehmen sein und deren Geschicke leiten? Denn wenn man genau hinsieht und ehrlich ist, so ist die Branche zahlengetriebener geworden. Jahrelang ging es nach oben, zweistellige Umsatzzuwächse waren die Regel. Seit ein paar Jahren allerdings stagniert das Wachstum und der Konkurrenzdruck untereinander nimmt zu. Hinzu kommt die Konkurrenz von vielen Modeanbietern, die die ­Funktionsstoffe der Outdoor-Marken auch für sich als neuen Mehrwert entdeckt haben. Die Outdoor-Branche, bislang mehrheitlich geführt von „echten“ Outdoor-Fans, wird zunehmend professioneller, und das heißt meist: zahlengetriebener. An den Spitzen großer Konzerne, die diverse Outdoor-Marken übernommen haben, sitzen Manager, die aus anderen Bereichen kommen und deren Priorität am Ende des Quartals oder Jahres die positive Bilanz ist. Im Grunde eine vorhersehbare Entwicklung, die zudem nicht dramatisch sein muss. Doch wenn die Werte einer Marke darunter leiden, der Druck zu groß wird und es nur noch um das reine Geld geht, dann leidet am Ende die Glaubwürdigkeit.

Urgestein geht von Bord
Vor ein paar Wochen platzte die Meldung ins Haus, dass Rolf G Schmid, langjähriger CEO von Mammut und Outdoor-Urgestein, seinen Hut nimmt und das Schweizer Unternehmen nach 20 Jahren verlassen wird. „Einvernehmlich“, wie es in einer Pressemitteilung hieß. Schmid war einer dieser echten Outdoorer, der die Schweizer Marke groß gemacht hat, für Outdoor lebt und es verkörpert. Er hat als Bergsteiger die eigenen Produkte getestet. Zuletzt hatte er die Strategie 2020 für Mammut erarbeitet und durchgesetzt. Umsetzen wird sie nun ein anderer. Mammut gehört dem börsennotierten Unternehmen ­Conzzeta AG. Deren Aktivitäten liegen in den Bereichen Blechbearbeitung, Sportartikel, Schaumstoffe, grafische Beschichtungen und Glasbearbeitung, mit mehr als 3.500 Mitarbeitern weltweit. Der Bereich Sportartikel hatte in den letzten Jahren zunehmende Verluste hinnehmen müssen. Der Erlös der Mammut Sports Group verringerte sich 2015 auf 235,3 Millionen Schweizer Franken (215,9 Millionen Euro) gegenüber 249,9 Millionen Franken (229,4 Millionen Euro) im Jahr 2014, der Umsatz schrumpfte um 1,7 Prozent. Probleme bereiten die zunehmende Konkurrenz genauso wie der schweizerische Markt insgesamt, der durch die Währungsprobleme vor einer echten Herausforderung steht. Die heimische Seilproduktion, auf die das Unternehmen lange stolz war, verla­gerte man bereits ins billige Ausland.
Sicherlich Aspekte, an denen ein Outdoor-Fan der ersten Jahre zu knabbern hat, selbst wenn die Entscheidungen wirtschaftlich sinnvoll und notwendig waren. In einem Interview, dass Schmid der Aargauer Zeitung gab, lässt er zwischen den Zeilen durchblicken, dass die Trennung von Mammut nicht nur mit einer beruflichen Neu­orientierung zu begründen ist. „Vor zwei Jahren hätte ich gesagt, dass ich hier in Pension gehen werde. Vor einem Jahr war ich schon skeptischer, weil es starke Veränderungen gab, zum Beispiel im Verwaltungsrat der Conzzeta-Gruppe. Jetzt kam die Trennung für mich nicht mehr überraschend“, antwortete Schmid auf die Frage, ob die laut Conzzeta einvernehmlich gefällte Entscheidung ihn überrascht habe.

Private-Equity-Unternehmen machen Druck
Mammut ist selbstverständlich nicht das einzige Unternehmen, das – aufgrund der Besitzerstruktur mit Private-Equity-Firmen im Hintergrund – mehr Druck und Veränderungen zu spüren bekommt. Vor kurzem wurde der Merger zwischen der Jarden Corporation und Newell Rubbermaid abgeschlossen, das Unternehmen unter dem Namen Newell Brands zusammengeführt. Zu Newell Brands gehören unter anderem nun ­Marmot, K2, Völkl, Coleman und Marker. Und schon jetzt gibt es bei Marmot Umstrukturierungen! Sechs Stellen wurden gestrichen, darunter auch die der ­beiden Vizepräsidenten Andy Welling, Vice President Sales, und Tom Fritz, Vice President ­Marketing. Die Streichungen begründet das Unternehmen mit Umstrukturierungen, um sich an den dynamischen Markt anzupassen.

Neue Player drängen auf den Markt
Die Orientierung an Zahlen gehört ganz klar dazu, jedes Unternehmen schaut auf Zahlen, den Markt und dessen Entwicklungen. Doch das Umfeld wird rauer, das Tempo nimmt rasant zu. Themen, Interessen und Trends haben eine weitaus kürzere Halbwertzeit, teilweise nur noch von Monaten, nicht mehr von Jahren. Der Markt ist differenzierter geworden. Angefangen hat die Outdoor-Branche, und mit ihr viele Marken, als Nischenbereich in der Sport- und Textilbranche. Es folgten die Jahre des großen Booms, die Unternehmen wuchsen an, der Markt blühte auf. Daraus resultierte, dass die Sortimente breiter aufgestellt wurden – Jacken und Rucksäcke waren nicht mehr nur auf diejenigen zugeschnitten, die tatsächlich auf lange Touren, Expeditionen oder in die Wildnis gingen. Sie sollten auch diejenigen ansprechen, die am Wochenende mit Rucksack eine Städtetour machen wollten oder einfach auch in der Stadt trocken und warm durch den Winter kommen wollten. Dennoch sind die Ansprüche an die Ausrüstung gewachsen, Wassersäulen von Jacken, die Stabilität von Schuhen oder Backpacks spielen auch für die Verbraucher eine immer größere Rolle. Mittlerweile jedoch steigen die Umsatzzahlen weniger stark – sie steigen zwar kontinuierlich, aber nicht mehr in dem Maße wie vor einigen Jahren. Die Kunden sind zum einen nicht mehr bereit, die hohen Preise zu zahlen, die teilweise aufgerufen werden. Zum anderen treten quasi branchenfremde Player auf den Markt, die die Preise senken. So bietet Tchibo eigene Outdoor-Bekleidung an, auch die Modemarke Uniqlo hat eine Outdoor-Linie im Programm. Und auch die Snowboard-Bekleidungsmarke Zimtstern will ein Stück vom Outdoor-Kuchen abhaben. Und da sind sie, die zwei Seiten der Medaille: Einerseits ist es ein gutes Zeichen, dass Outdoor so gefragt ist, dass immer neue Marken die Sparte für sich entdecken. Andererseits wird der Markt dadurch natürlich enger, es wird schwerer, ein Alleinstellungsmerkmal für sich zu finden oder überhaupt zu überleben.

Hilferuf an Patagonia
Die momentane Lage ist also nicht gerade entspannt. Und wenn dann noch Private-Equity-Firmen auf den Plan treten, Marken übernehmen und den Druck erhöhen, sind Fimengeschichte und Nostalgie nicht einmal eine Fußnote. Es zählt, so ist die Realität in der Wirtschaft, der Profit. Das mag zwar nicht zur Seele eines Outdoorers und der Branche passen, bleibt aber nicht aus. Dies bekommen gerade die Mitarbeiter der Fabrik von Polartec in Lawrence, Massachusetts zu spüren. Die Fabrik, in der die Textilfasern für unzählige Outdoor-Jacken hergestellt werden, besteht seit dem frühen 20. Jahrhundert. Dies stellt eine direkte Verbindung zur Firmengeschichte dar und steht für die Widrigkeiten, mit denen das Unternehmen zwischenzeitlich zu kämpfen hatte. 2007 wurde Polartec von Versa Capital, einem Private-Equity-Unternehmen, übernommen. Angeblich, um das Unternehmen vor dem Bankrott zu retten und Arbeitsplätze zu erhalten.
Anfang Dezember 2015 wurde dann verkündet, dass im Zuge einer Konsolidierung die Fabrik in Lawrence geschlossen wird und die Produktion beginnend ab dem 18. Juli bis Ende des Jahres nach Tennessee und New Hampshire verlagert werden soll. 230 Arbeitsplätze würden dadurch verloren gehen. Die Mitarbeiter der Fabrik haben sich nun in einem Brief an Outdoor-Ausrüster Patagonia, besser gesagt an dessen CEO Rose Marcario, gewandt mit der Bitte, Polartec zu übernehmen. Durch den Kauf des Textil­herstellers habe Patagonia die ­Chance, nicht nur die Umwelt- und Qualitätsstandards eines der wichtigsten Produkte in der ­Lieferkette zu sichern, sondern auch ­Hunderte von Arbeitsplätzen zu erhalten und somit ein Stück lebendige amerikanische Geschichte zu sichern, heißt es in dem Brief, der an die Unternehmensphilo­sophie und das ­Selbstverständnis des Unternehmens appelliert. Polartec und Patagonia verbindet eine über Jahrzehnte gewachsene, ­dauerhafte Beziehung.

Brexit – und nun?
„Ellbogen ausfahren“ scheint angesagt zu sein, um auf dem harten Markt zu bestehen. Und als wäre das noch nicht genug, wird es in Zukunft dank Brexit neue Hürden zu überwinden geben. Die deutsche Wirtschaft und die Industrie fürchten harte und unmittelbare Folgen für den Handel mit der Insel, vor allem hat der Brexit Auswirkungen auf die deutsche Exportwirtschaft. Die deutsch-britische Handelsbilanz bei Waren und Dienstleistungen betrug 2014 nach Angaben der Deutschen Bundesbank 177 Milliarden Euro, dabei lag der Überschuss eindeutig auf deutscher Seite. Am meisten leiden wird also vor allem die britische Wirtschaft, doch auch im deutschen Modehandel und der Industrie ruft der Brexit Besorgnis hervor. Die kurzfristigen Auswirkungen werden wohl zunächst gering ausfallen, doch mittel- und langfristig wird es wahrscheinlich zu Beeinträchtigungen kommen. „Wir erwarten in den kommenden Monaten einen deutlichen Rückgang des Geschäfts mit den Briten“, so die Einschätzung des Hauptgeschäftsführers des Industrieverbandes BDI, Markus Kerber im Gespräch mit der dpa. Zwar sei die Textilwirtschaft nicht so stark betroffen wie beispielsweise die Automobilindustrie oder der Finanzsektor, doch der Verkauf deutscher Bekleidungsmarken in Großbritannien dürfte in den kommenden Monaten zurückgehen. Allein schon aufgrund des Wechselkurses und des – zurzeit –
schwachen britischen Pfundes. Jens Nagel, Hauptgeschäftsführer der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE), nennt den Brexit eine Katastrophe für den deutsch-britischen Außenhandel: „Der folgende, mindestens zweijährige Abnabelungsprozess wird nicht schmerzlos vonstattengehen.“ Er äußert zudem Befürchtungen hinsichtlich der Handelsbeziehungen zwischen den Ländern; so sei mit technischen Handelshemmnissen, unterschiedlichen Normen, Standards und eventuellen neuen Zollgebühren zu rechnen. Zu befürchten sei auch, dass die Vorschriften hinsichtlich Umwelt- und Verbraucherschutz auseinanderdriften werden, so dass aufwändige Prüfverfahren und -pflichten auf deutsche Unternehmen zukommen könnten. „Großbritannien ist ein Schwergewicht für den deutschen Handel: Das Land steht an fünfter Stelle unserer wichtigsten ­Handelspartner und ist der Markt, mit dem wir nach den USA unseren zweithöchs­ten Außenwirtschaftsüberschuss erwirt­schaften“, betont Nagel.
Die US-Ratingagentur Moody’s erwartet nach dem Brexit-Votum weniger Ausgaben und Investitionen in Großbritannien und damit ein geringeres Wirtschaftswachstum. Der Ausblick für die Einstufung sei von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt worden, teilte die Agentur mit. Damit droht dem Land eine Herabstufung seiner Bonität. Das würde es tendenziell teurer machen, sich am Finanzmarkt Geld zu besorgen. Auch die Bertelsmann-Stiftung verwies auf die nun herrschende Unsicherheit. Diese werde den Konsum und die Investi­tionsfreude auf der Insel bremsen und die wirtschaftliche Leistung in den kommenden Monaten und Jahren reduzieren. Langfristig schlügen teurer werdender Handel, fehlende Investitionen und schwindende Innovationskraft zu Buche. Die Ökonomen erwarten einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um bis zu 14 Prozent bis zum Jahr 2030. Sie beziehen sich auf diesen Zeitraum, weil sie davon ausgehen, dass handelspolitische Entscheidungen erst dann ihre volle Wirkung entfalten. Mehr als 50 Prozent des britischen Import- und Exportgeschäfts wickelte England zuletzt mit EU-Mitgliedstaaten ab, heißt es in der Studie. Fallen die durch die EU garantierten Handelsprivilegien weg, verteuern Zölle und andere Effekte den Austausch von Waren und Dienstleistungen.

Auswirkungen auf den Online-Handel
Nicht nur für die klassischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen bedeutet der Brexit eine große Herausforderung, auch der Online-Handel wird zukünftig vor Problemen stehen. „Der Brexit bedeutet einen Rückschritt für den europäischen E-Commerce, der mit einem Anteil von 60 Prozent die stärksten Umsätze in Großbritannien, Frankreich und Deutschland verzeichnet. Die Konsequenzen für Online-Händler wären weitreichend“, klagt Florian Seikel, Hauptgeschäftsführer im Händlerbund, der 50.000 geschützte Online-Präsenzen vertritt. Seikel sieht die Last vor allem auf den kleinen und mittelständischen Online-Händlern, die es schwer haben könnten, eventuelle höhere Versandkosten zu tragen und bürokratische Hürden, wie mögliche Wiedereinführung von Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer, zu überwinden, da es im Gegensatz zu Großkonzernen für diese Online-Händler schwer sei, strategische Partnerschaften aufzubauen, um die Beschaffung und den Vertrieb ihrer Waren weiterhin effizient zu gestalten.
Für Online-Händler dürfte ein EU-Austritt Großbritanniens deutliche Folgen haben. Denn bereits kurzfristig rechnen Experten mit einer deutlichen Abwertung des Pfundes gegenüber dem Euro, was Importe aus der EU verteuern würde. Langfristig drohen Zölle und nichttarifäre Handelserschwernisse. Visual Meta, ein Berliner Unternehmen, das weltweit Shoppingportale betreibt, hat berechnet, dass Online-Shoppern innerhalb und außerhalb Großbritanniens je nach Produktkategorie ein Preisanstieg von zwei bis 15 Prozent droht. Am härtesten, so die Analyse, sei die Modebranche betroffen, wo die Kunden traditionell sehr preisbewusst seien. Hier erwartet Visual Meta deswegen einen Umsatzrückgang von bis zu vier Prozent. Bisher sind die Geschäftsbeziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien im Online-Handel sehr eng. Nach einer Untersuchung des Onlinebezahlsystems Paypal ist Großbritannien bisher das drittbeliebteste Land der Welt für internationales Online-Shopping, für deutsche Online-Einkäufer sogar das beliebteste, gefolgt von den USA und China. Auf der anderen Seite haben 36 Prozent der Briten im vergangenen Jahr online in anderen Ländern eingekauft. Das könnte sich nun ändern, der Brexit könnte Exporte deutscher Händler nach Großbritannien so stark verteuern, dass sie im schlimmsten Fall nicht mehr konkurrenzfähig wären und das Geschäft zum Erliegen käme.

Mehrere Szenarien möglich
Wie auch immer die Entwicklung weitergeht, es zeichnet sich ja schon ab, dass Großbritannien – trotz der Ergebnisses des Votums – weiterhin Interesse daran hat, eine starke Handelsbeziehung mit den EU-Mitgliedstaaten aufrechtzuerhalten. In diesem Fall sind verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten denkbar. Beispielsweise könnte Großbritannien nach dem Vorbild Norwegens im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bleiben. Das würde bedeuten, dass die Briten weiterhin die Gesetze in Bezug auf die Freizügigkeit von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital harmonisieren und die Hoheit der europäischen Gesetzgebung in diesen Bereichen anerkennen müssten. Der Zugang zum gemeinschaftlichen Binnenmarkt würde erhalten bleiben.
Es könnte allerdings auch eine drastischere Trennung vereinbart werden. Ganz nach dem Schweizer Model könnte ein bilateraler Vertrag mit der EU die Folge sein. EU-Vorgaben sowie die ­Rechtshoheit des Europäischen Gerichtshofs wären dann jedoch nicht anzuerkennen. Da Art. 50 des EU-Vertrags eine Neuverhandlung der Beziehung vorsieht, ist jede Form der Ausgestaltung zukünftig denkbar.

Klassische Outdoor-Werte schaffen Profil
Um sich bei all der Härte und den Widrigkeiten im Markt zu positionieren und zu bestehen, können sich sowohl Industrie und Handel ein Stück weit auf das verlassen, was sie können und über die Jahre auch etabliert haben. So ist die Outdoor-Branche nach wie vor Vorreiter beispielsweise in Sachen Nachhaltigkeit, Fairness und bei Arbeitsbedingungen (siehe Studie Seite 34). Eine Stärke, die einige Hersteller noch mehr ausnutzen sollten, ist Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltig produzierte Mode, die ein immer stärker werdender Umsatztreiber ist. In Zeiten von Veganismus, bewusster Ernährung und Klimawandel achten Verbraucher immer stärker auf solche Besonderheiten. So schreibt die „Zeit“ in einer Stil-Kolumne, dass „Grün das neue Schwarz sei“ und immer mehr Mode-Hersteller auf nachhaltige Produktion setzen. Ökotextil-Hersteller Hess Natur lässt mittlerweile Kollektionen von namenhaften Designern entwickeln, ethisch korrektes Konsumieren gilt als das Gebot der Stunde, vor allem bei Kleidung. Da kann es sicher nicht schaden, sich als ­Outdoor-Bekleidungshersteller seine Umweltfreundlichkeit dick und fett auf die Fahne zu schreiben.

Beratung ist nach wie vor A und O
Auch der Handel kann sich auf dem hart umkämpften Markt durch Wissen, Beratung und Kompetenz in Position bringen. Es lohnt sich zu hinterfragen, warum Kunden welche Marken bei welchem Anbieter kaufen. Die Antworten auf diese Fragen müssten den Kurs für Industriemarken bzw. Handelsstrategien liefern. Denn Preise und „Me too“-Produkte binden keinen Kunden. Schon gar nicht die Kunden, denen – wie den meisten – die Orientierung fehlt. Immer mehr Anbieter und insbesondere die spezia­lisierten Outdoor-Geschäfte und Marken-Stores folgen der sogenannten Multi-­Channel-Strategie und verkaufen nicht nur in ihren stationären Geschäften, sondern parallel dazu auch über das Internet.
Dennoch wird der stationäre Fachhandel das Spielfeld nicht verlassen, sagt BBE-Branchenexperte Dominik Nuss: „Es gibt genügend Gründe und Kräfte für die Zukunft des Fachhandels. Outdoor-Artikel sind beratungsintensiv, und kompetente Beratung gibt es fast ausschließlich im Fachgeschäft bzw. Fachmarkt. Selbst komplexe Internetauftritte mit Beratungsleitfäden oder Beratungsvideos können das persönliche Gespräch mit dem meist selbst sportlich aktiven Verkäufer nicht ersetzen.“ Insofern fördert der Online-Auftritt sogar den statio­nären Umsatz. Gelingt es den Marktteilnehmern auf allen Marktstufen dagegen nicht, sich jenseits der Preisorientierung mit Marken bzw. Mehrwerten zu positionieren, wird der durchschnittliche Verbraucher deswegen nicht auf Outdoor-Aktivitäten verzichten. Doch diesen könnte er mangels entsprechender Angebote durchaus auch auf kostengünstige Weise nachkommen. Dieses pessimistische Marktszenario schießt den Ball komplett ins Feld der preisorientierten Vertriebswege, was auch für Markenstrategien kontraproduktiv sein wird.

Neue Filialisten machen Druck
Apropos Handel und dessen Herausforderungen und Wettkampf: Dieser wird sich 2016 weiter verschärfen, drängen doch immer mehr neue Filialisten auf den Markt. Was 2015 schon mit Vehemenz begann, wird auch in den kommenden Jahren die Landschaft des Sportfachhandels verändern. Im Süden kamen mit dem Markteintritt der Schweizer Deichmann-Tochter Ochsner Sport und dem Filialisten Hervis aus ­Österreich, gleich zwei Neue auf den Markt, die in Bayern und Baden-­Württemberg angriffen. Im Norden schlagen die ­Skandinavier mit Stadium ihre Zelte auf und eröffneten 2015 ihre mittlerweile dritte Filiale in Hamburg. Deutschlandweit greifen die Franzosen mit ­Decathlon an und die Briten mit JD Sports. Der Markt ist ordentlich in Bewegung, jeder will nach den ­Übernahmen und Umstrukturierungen im Sport­geschäft mitmischen.
Und unter den Sportartikelherstellern selber verschärft sich der Kampf auch, der Ton wird rauer. An der Spitze stehen nach wie vor Weltmarktführer Nike und Verfolger ­Adidas, die sich um die Vorherrschaft streiten. Für Adidas war vor allem 2014 ein schwieriges Jahr, doch 2015 konnte das Unternehmen aus Herzogenaurach in Asien starke Gewinne einfahren. Zudem greift Adidas auf dem amerikanischen Markt an und will dort Nike das Wasser abgraben. Und dann ist da noch Under Armour – das US-Unternehmen will seit Jahren in ­Europa Fuß fassen und geht diese Strategie der Expan­sion auf dem deutschen Markt verstärkt an.

Die Zukunft wird digitaler
Der Markt im Sportgeschäft befindet sich weiterhin in einer spannenden Phase, und der Kampf um die Kunden, nicht nur im Fachhandel, sondern auch auf Hersteller­seite, wird in die nächste Runde gehen. Denn die anderen Sportartikelhersteller haben die „Nische“ Outdoor mittlerweile auch für sich als lukrativ entdeckt und werden da weiter angreifen. Zudem haben große Player, aber auch kleine, branchenfremde und kreative Unternehmen oft einen direkteren „Zugang“ und ein anderes Verständnis für die Ziel­gruppe der „Millenials“, die in den kommenden Jahren die aktuellen Outdoor-Stammkunden ersetzen wird. Und genau diese Ziel­gruppe erwartet von einem Rucksack, Zelt oder Schuh mehr als „nur“ stabile Sohlen.
Die Technik rennt und rennt, und wer ­mittlerweile nicht auf den „Wearable-Zug“ aufgesprungen ist, sollte dies möglichst schnell nachholen. Die Millenials warten nicht, sind aber genau die Kunden, die in ihrer ­Freizeit Wert auf Ausgleich, Natur und Nachhaltigkeit legen. Doch trotz Bio, Vegan und Öko lassen sich Millenials nicht mehr nur mit nachhaltig produzierter Mode
locken – da müssen noch ­Gimmicks und ­Gadgets ­dazukommen, sonst wird es langweilig. Die Outdoor-Branche tut also gut daran, ­digitale Spielereien einzubauen und vielleicht ein bisschen umzudenken, um neue Kunden zu gewinnen.
Da lässt das Ergebnis der Kooperationsstudie „Markt: Monitor Outdoor 2015“ von BBE Handelsberatung und Marketmedia 24 ein wenig hoffen, dass die Zukunft nicht so trüb aussieht, wie sie zur Zeit scheint. Die Studie prognostiziert einen Zuwachs: Im günstigsten Fall steigt das Marktvolumen im Outdoor-Markt bis 2020 auf 1,98 Milliarden Euro.

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